Originalpräparate versus Generika: Einstellen ja – umstellen nein!

Immer wieder kommt es bei der Verordnung von Nachbaupräparaten zu Problemen. Betroffen sind vor allem ältere PatientInnen, die sich nicht am Produkt, sondern am Aussehen ihrer Medikation orientieren. Ein Roundtable-Gespräch versuchte vor kurzem in Wien zu klären, wann Originale und wann Generika die richtige Medikamentenwahl darstellen.„Ich habe kein Problem damit, einen Patienten primär auf ein Generikum einzustellen. Dagegen ist gerade bei chronisch kranken, älteren Patienten eine Umstellung von einem Originalpräparat auf ein Nachbaumedikament schwierig”, zeigte sich der niedergelassene Allgemeinmedizin Dr. Günther Hirschberger aus Wartberg im Mürztal zu Beginn einer vom Pharmaunternehmen MSD veranstalteten Round-Table-Diskussion überzeugt. Ähnliches gelte für chronisch kranke Patienten wie etwa Epileptiker. Diese auf ein Generikum umzustellen, hält Hirschberger für extrem problematisch. Eine Ansicht, die Prof. Dr. Martha Feucht von der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters durchaus teilt: „Die Therapie für Epilepsie ist eine Prophylaxe, die aufrecht erhalten werden muss”, erläuterte Feucht: „Wenn die Therapie funktioniert, sollten keine Umstellungen von Original- auf Nachbaupräparate vorgenommen werden.” Neueinstellungen sind für die MedizinerInnen dagegen kein Problem, wenn klar ist, dass die Bioäquivalenz des Generikums tatsächlich dem Originalpräparat entspricht.

Die Crux mit den Werten
Allerdings ist gerade dies ebenfalls ein nicht unbeträchtliches Problem, das bei der Um- oder Einstellung auf ein Generikum mehr beachtet werden sollte. Verliert ein Originalmedikament seinen Patentschutz, darf es von jedem anderen Pharmaunternehmen nachgebaut werden. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMEA) gibt dazu vor, dass die Area under the Curve, der Tmax sowie der Cmax (siehe Kasten1) zwischen 80 und 125 Prozent des Originals liegen muss. Werden diese Werte erreicht, spricht die EMEA von Bioäquivalenz des Generikums mit dem Originalmedikament. Zum Problem wird dies allerdings bei Medikamenten, die nur eine geringe therapeutische Breite aufweisen, wie etwa Lithium und in der Behandlung chronisch kranker Anfallsleidender. Bei diesen PatientInnen kann eine Wertabweichung zwischen 80 und 125 Prozent eine wesentliche Rolle für Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit eines Medikaments spielen.

Wenig Aussagekraft
Auch im Falle von Medikamenten zur Behandlung der Osteoporose bietet die Bioäquivalenz zum Vergleich Original – Generikum keinen wirklich aussagekräftigen Anhaltspunkt. „In der Osteologie haben wir das Problem den Effekt eines knochenwirksamen Medikaments nicht innerhalb einer vernünftigen Zeit beurteilen zu können”, so Prof. Dr. Hans Peter Dimai von der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin an der Medizinischen Universität Graz: „Wir können lediglich die Reduktion des Frakturrisikos messen”, erklärte Dimai weiter: „In keinem Fall können wir heute sagen, dass eine generische Bisphosphonat-Substanz die gleiche Wirksamkeit wie ein Originalpräparat aufweist.” Der Grund dafür: Um ein Nachbaupräparat auf den Markt zu bringen, sind keine Zulassungsstudien notwendig. Die genannte Bioäquivalenz wird – so empfiehlt es die EMEA, lediglich an jungen gesunden Probanden zwischen 25 und 50 Jahren ausgetestet: „Das ist gerade für ein Osteoporosemedikament natürlich sehr sinnvoll”, ätzte Dimai. Dazu kommt, dass generische Bisphosphonate im Blut nur einen sehr niedrigen Spiegel erreichen, der kaum bis gar nicht messbar ist. Für die Bioäquivalenz wird deshalb der kumulierte Anteil der Substanz im Urin gemessen. „Und niemand weiß wirklich, wie viel vom generischen Bisphosphonat wirklich dem Knochendepartment zur Verfügung steht”, beklagte Dimai: Bei Originalpräparaten beträgt die Resorption etwa 0,6 Prozent.

Keine Substitution
Beklagt wurde auch das Thema Substitution durch Apotheken, wenn also ein Original verordnet, in der Apotheke allerdings ein Generikum abgegeben wird. Ein Skandal für Prof. Dr. Eckhart Beubler vo, OInstitut für experimentelle und klinische Pharmakologie an der medizinischen Universität Graz: „Wer übernimmt da die Haftung?” so Beubler rhetorisch: „So kann etwa das Originalpräparat ohne Laktose als Hilfsstoff auskommen, das Generikum dagegen beinhaltet Laktose – was tun bei einer Laktoseunverträglichkeit?” Für Klinikerin Feucht ist die Substitution derzeit noch ein eher untergeordnetes Problem für das sie eine unkonventionelle Lösung fand: „Wir stellen viele Kinder auf ein Antiepileptikum ein und verschreiben dazu ausschließlich Originalpräparate.” Da es häufiger vorkam, so berichtete Feucht, dass Patienten trotz Verschreibung des Originalmedikaments in der Apotheke ein Generikum verkauft wurde, griff die Neurologin zu einem einfachen Mittel: „Ich gebe dem Patienten eine Probepackung des Medikaments mit und sage ihm, dass er ausschließlich dieses einnehmen soll.” Zusätzlich vermerkt Feucht auf dem Rezept „nicht substituieren.”

Zu geringe Preisunterschiede
Prinzipiell abgelehnt werden Generika allerdings weder von Feucht noch den anderen TeilnehmerInnen am Roundtable, das Ende Jänner im Museum for Young Art abgehalten wurden: „Die europäischen Gesundheitssysteme müssen sparen”, weiß auch Agneter PharmaConsulting Geschäftsführer, Doz. Dr. Ernst Agneter: „Das Problem ist aber dieses reflexartige Fordern einer Steigerung des Generikaanteils.” Für Österreich mache dies, aufgrund der strikten Preisbindung, allerdings nur wenig Sinn: „Am Beispiel Lamotrigin lässt sich dies ganz gut dokumentieren. Hier liegt der Preisunterschied zwischen Originalmedikament und Generikum bei 35 Cent. Das sind 2,5 Prozent.” Für Agneter zeigt dies, dass die Idee mit Generika Geld zu sparen, derzeit ganz und gar nicht funktioniert. Der Grund dafür ist im Erstattungskodex des Hauptverbands der Österreichischen Sozialversicherungsträger zu finden. Der legt nämlich fest, dass drei Monate nach Markteinführung eines wirkstoffgleichen Generikum der Preis des Originalmedikaments um mindestens 30 Prozent gesenkt wird. Spätestens mit der Aufnahme des vierten baugleichen Medikaments in den Erstattungskodex muss der Preis des Originals auf dem Preisniveau des dritten eingeführten Nachfolgepräparats liegen (der Text im Wortlaut: http://www.sozialversicherung.at/esvapps/page/page.jsp?p_pageid=110&p_menuid=64715&p_id=5)
Wichtiger Teil des Systems
Generika haben, so die Diskutanten abschließend, durchaus ihren Platz im österreichischen Gesundheitssystem: „Bei Präparaten, deren Effekt sofort messbar ist, wie etwa Antihypertensiva, machen Generika durchaus Sinn”, resümierte Hans Peter Dimai abschließend. Auch Pharmaökonom Agneter sieht in der Verordnung von Generika durchaus Sinn: „Wir brauchen Einsparungen im Gesundheitssystem um Anreize zur Erforschung neuer innovativer Medikamente zu liefern.” Auch Allgemeinmediziner Hirschberger sieht die Notwendigkeit kostengünstigerer Therapien ein, wünscht sich allerdings „eine ehrlichere Diskussion und nicht nur Werbung über die Preisschiene.”

Kasten 1:
Area under the curve: Häufige Messungen der Konzentration des verabreichten Wirkstoffs im Blut. Die sich dabei ergebende Area under the curve ergibt die insgesamt im Blut verfügbare Wirkstoffmenge.
Tmax: (Time maximum) Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration des Wirkstoffs
Cmax: (Concentration maximum) maximale Plasmakonzentration des verabreichten Wirkstoffs

Kasten 2:
Beim Roundtable diskutierten:
Univ.-Doz. Dr. Ernst Agneter, MBA, Geschäftsführer Agneter PharmaConsultin GmbH
Prof. Dr. Eckhart Beubler, Institut für Experimentelle und klinische Pharmakologie, Medizinische Universität Graz
Prof. Dr. Hans Peter Dimai, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz
Prof. Dr. Martha Feucht, Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters, Medizinische Universität Wien
Dr. Günther Hirschberger, Arzt für Allgemeinmedizin, Wartberg im Mürztal