Quotenregelung für die Gynäkologie

Prof. Dr. Teresa Wagner

Prof. Dr. Teresa Wagner

Die Gynäkologie ist – vor allem in den Führungspositionen – immer noch männerdominiert.

Seit 2007 ist Prof. Dr. Teresa Wagner Vorständin der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Kaiser Franz Josef Krankenhaus in Wien. Sie hat damit etwas geschafft, dass im patriarchalischen Österreich lange Zeit unmöglich schien: Eine Frau als Leiterin einer gynäkologischen Abteilung. Nur zwei Abteilungen werden bis dato von Frauen geführt: Die Semmelweisklinik von Prof. Dr. Petra Kohlberger (seit 2007) und eben jene im KFJ. Von einer Vorständin einer Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe ist weiterhin weit und breit nichts zu sehen.

Im zweiten Teil der Serie „Große Frauen in der Medizin” hat Sabine Fisch mit der Gynäko-Onkologin Prof. Dr. Teresa Wagner über ihre Arbeit, über Herausforderungen, die männlich-dominierte Gynäkologie und über die Notwendigkeit einer Quotenregelung gesprochen.

Wann tauchte der Berufswunsch Medizinerin bei Ihnen auf?

Wagner: Das war mir schon als Kind klar. Ich hatte ein großes Vorbild. Meine Patentante war nicht nur Gynäkologin und unsere Hausärztin, sie war auch Leiterin einer geburtshilflichen Abteilung in einem Krankenhaus in der Nähe von Alpen (Deutschland, Anm.), wo ich aufgewachsen bin. Das war eine sehr selbstständige, resolute Frau, die mir sehr imponiert hat.

Sie stammen aus einer Medizinerfamilie – war Druck da, ebenfalls Medizin zu machen?

Wagner: Nein, ich konnte mich völlig frei entscheiden. Nach dem Abitur habe ich erstmal ein Semester Chemie und ein Semester Psychologie studiert, obwohl ich den Wunsch hatte Medizinerin zu werden. Meine beiden älteren Brüder sind ebenfalls Ärzte, das hatte mich zuerst ein wenig abgeschreckt. Aber ich habe schnell festgestellt, es muss doch die Medizin sein. Einen Studienplatz bekam ich, aufgrund meiner guten Noten leicht.

Wann fiel während ihrer Studienzeit die Entscheidung für die Gynäkologie?

Wagner: Das war von Anfang an klar. Ich könnte gar nichts anderes machen. In der Kinderheilkunde zum Beispiel würde ich viel zu viel mitleiden. Außerdem wollte ich unbedingt ein Fach, in dem man operieren kann. Die Chirurgie war mir zu wenig kommunikativ, die Gynäkologie bot genau die richtige Mischung.

Wie verlief ihre Studienzeit?

Wagner: Ich habe mein Medizinstudium 19xx in Deutschland begonnen. Allerdings darf man in Deutschland keinen Patienten angreifen, bevor man mit dem Studium fertig ist. Das hat mir gar nicht gefallen. Ich hörte dann auf einem Kongress, dies sei in Österreich anders, was zu einer Bewerbung bei Prof. Ernst Kubista an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde I am AKH Wien geführt hat. Kubista meinte, ich solle doch kommen, also packte ich meine Sachen und setzte mein Studium 1987 in Wien fort. Schon als ich in Wien ankam war mir klar: Hier bin ich zu Hause. Daran hat sich seit damals nichts geändert. Nach Abschluss meines Studiums hatte ich an der 1. Frauenklinik eine Ausbildungsstelle zur Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Aussicht, dazu musste ich allerdings Österreicherin sein. Mit Hängen und Würgen habe ich die Einbürgerung geschafft und konnte am 1. September 1990 meine mit Drittmitteln finanzierte Stelle antreten.

Wie wichtig ist Selbstbewusstsein für eine Karriere als Gynäkologin?

Wagner: Sehr wichtig. Und ich war schon damals eine sehr selbstbewusste Frau. Das war auch nötig – an der Frauenklinik war ich die fünfte Frau, die eine Ausbildungsstelle antrat. Mir war auch immer klar: Ich möchte Karriere in der Frauenheilkunde machen. Ich will wissenschaftlich arbeiten. Für meine Dissertation habe ich etwa mit großem Elan zwei Jahre lang Kreissäle verräuchert, weil ich feststellen wollte, ob man mit Moxibution Beckenendlagen drehen kann. Man kann übrigens nicht (lacht). Mir war Wissenserwerb immer extrem wichtig. Ich war nie eine Partymaus, ich bin nicht ausgegangen, ich habe gelernt und gearbeitet. Einmal, mit 14, war im in einer Disco – ich fand es grauenhaft. Ich liebe meine Arbeit und empfinde sie nicht als Belastung.

Wann und warum kam der Schritt in die Onkologie?

Wagner: Das war eigentlich ein Zufall: Als ich begonnen habe, wollte keiner der jungen Assistenten auf der onkologischen Station arbeiten. Mir hat das gefallen. Ich wollte gute Medizin machen. Wenn eine Frau gesagt hat: Ich bin zwar schwer krank, aber ich werde gut betreut, dann hat mich das immer ungeheuer motiviert. Mir war auch der wichtig, der Patientin möglichst ein „Gesamtpaket” anbieten zu können – von der Diagnose über die Behandlung bis zur Nachsorge. Wer mit einer solch schweren, potenziell tödlichen Erkrankung wie Brustkrebs konfrontiert ist, sollte nicht von einer Stelle zur andere geschickt, sondern möglichst aus einer Hand betreut werden. Dieser Gedanke führte letzten Endes auch zur Gründung der Stiftung für Brustgesundheit, die ich gemeinsam mit Prof. Kubista von der Frauenklinik und der Wirtschaftsanwältin Dr. Theresa Jordis 2002 ins Leben gerufen habe.

Sie arbeiten sehr viel, publizieren und betreuen Patientinnen – woher holen Sie sich die Kraft für ihre Arbeit?

Wagner: Wenn man seine Arbeit gut macht ist sie keine Belastung. Ich mag meine Patientinnen, sie sind es, die mir Kraft geben. Und ich bin seit vielen Jahren glücklich verheiratet, mit einem Nicht-Mediziner. Mein Mann ist Art-Director – von der Arbeitsweise her sind wir uns allerdings schon sehr ähnlich. Für meinen Mann ist es selbstverständlich eine erfolgreiche Frau zu haben, er hat jeden Schritt von mir massiv unterstützt. Wir haben keine Kinder – ich denke, eine Karriere wie die meine, wäre mit Kindern unmöglich gewesen. Ich bemühe mich jetzt, in meiner Position als Primaria, allen Frauen in meiner Abteilung zu ermöglichen, Karriere und Kind zu vereinbaren. Aber in dem Umfeld, in dem ich gearbeitet habe, wäre das unmöglich gewesen.

Sie waren 20 Jahre an der Frauenklinik im AKH – ist der Abschied schwer gefallen?

Wagner: Nein. Ich habe dort alles erreicht, was ich erreichen konnte. Es war Zeit, weg zu gehen und eine neue Herausforderung anzunehmen. Gerade in meiner Anfangszeit auf der Klinik habe ich lauter Menschen kennen gelernt, die gute Medizin machen wollten. Das war, als ich gegangen bin, nicht mehr so. Die Stelle als Primaria an einem Gemeindespital war der logische nächste Schritt für mich.

Wollten Sie schon einmal alles aufgeben?

Wagner: Natürlich. Ich erinnere mich an ein Telefongespräch mit einer guten Freundin, die niedergelassene Gynäkologin ist: An dem Tag war ich ziemlich erledigt und habe zu ihr gesagt: „Wieso tue ich mir das an, wieso will ich das überhaupt?” Und sie hat mir so richtig streng gesagt: „Stell dich nicht so an, eine muss es schaffen, und wenn du es nicht schaffst, wird es keine schaffen. Und deshalb musst du dich jetzt zusammen nehmen und weiter machen. Das fand ich toll. Ich musste immer wieder daran denken, wenn mal wieder „Supergau” war, wenn ich dachte, es haben sich mal wieder alle gegen mich verschworen.

Was raten Sie jungen Kolleginnen, die Karriere in der Gynäkologie machen wollen?

Wagner: Genau das zu tun und sich nicht entmutigen zu lassen. Ich glaube aber, wir müssen schon viel früher ansetzen, nämlich im Elternhaus: Meine Eltern haben sich wahnsinnig auf mich gefreut und mich immer genauso wie meine Brüder behandelt. Sie haben mir vermittelt: Du bist gleich viel wert. Im Studium und in meiner Arbeit hatte ich nie das Gefühl weniger wert zu sein, als die Kollegen. Für mich ist das kein Thema. Ich kenne aber viele Frauen, auch in meinem engsten Kreis, die diese Gefühl sehr wohl internalisiert haben, weil ihre Väter ihre Brüder vorgezogen haben, weil ihre Mütter diese Frauen nicht geschützt haben. In meinen Augen greift es zu kurz, zu sagen: Na Mädels, wieso seid ihr nicht ehrgeizig? Eine Frau, der in den wichtigsten Jahren ihres Lebens nur kommuniziert wird, sie sei nichts wert, wie soll die Ehrgeiz entwickeln? Diesen Mädchen sollte wenigstens in Kindergarten und Schule ein anderes Selbstbild vermittelt werden.
Und es braucht Vorbilder: Ich hatte nie welche, weil alle KollegInnen Männer waren, und Männer können für eine Frau immer nur begrenzt Vorbilder sein. Deshalb bin ich auch für eine Quotenregelung in der Medizin. Da halte ich es ganz mit der ehemaligen Frauenministerin Johanna Dohnal: Wenn genauso viele unfähige Frauen wie unfähige Männer in Führungspositionen sind, dann haben wir es geschafft. Das hat schon Johanna Dohnal gesagt. Und das stimmt noch heute.

„zur Person”
Prof. Dr. Teresa Wagner wurde am xx. xxxxx 19xx in Alpen/Deutschland geboren. Sie studierte von xxxx bis xxxx in Deutschland und Wien Medizin. Ihre Ausbildung zur Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe absolvierte Wagner an der 1. Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Sie spezialisierte sich auf Gynäko-Onkologie und gründete 2002, gemeinsam mit Prof. Dr. Ernst Kubista, Leiter der Abteilung für Spezielle Gynäkologie am Wiener AKH und der Wirtschaftsanwältin Dr. Theresa Jordis die Privatstiftung für Brustgesundheit. Seit August 2007 leitet Wagner die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Kaiser Franz Josef-Krankenhaus in Wien. Teresa Wagner ist verheiratet und lebt in Wien.