Modedrogen

Drogentherapie vor neuen Herausforderungen

Nicht Heroin oder Kokain sind nicht mehr die alleinigen Herausforderungen für die Medizin, sondern es zeichnet sich ein neuer Trend zum „Rausch mit allen Mitteln” ab. Und nicht-substanzgebundene Süchte stellen die Behandler vor völlig neue Situationen.

Im November 2008 war erstmals in den Zeitungen über eine neue „Modedroge” zu lesen – unter dem Namen Spice wurde eine Kräutermischung verkauft, die – ähnlich wie Marihuana oder Haschisch „high” machen sollte. Das Gemisch kommt aus London – die vertreibende Firma trägt den bezeichnenden Namen „Psyche Deli” und durfte legal verkauft werden, weil es als Gewürzmischung deklariert wurde. Was wirklich in „Spice” enthalten ist, blieb unbekannt. Bereits 2006 war Spice erstmals in der Schweiz aufgetaucht, wo allerdings der Verkauf seit 2007 verboten ist. Erst die Analyse eines Frankfurter Pharmaunternehmens Ende 2008 brachte Licht in die Situation und zeigte auf, dass die „Kräutermischung” keineswegs nur harmlose Wald- und Wiesenpflanzen, hauptsächlich übrigens Eibisch, enthält, sondern die Chemikalie JWH018 – zu deutsch – ein synthetisch hergestelltes Cannabinoid. Der Studie der Frankfurter THC Pharm zufolge ist der Wirkstoff viermal stärker als der natürliche Cannabis-Wirkstoff THC.

Seit Ende 2008 verboten
Die Ergebnisse der Studie führten in Deutschland und Österreich zu einem sehr raschen Verbot von Spice. „Nach Paragraph 1 Absatz 1 Ziffer 5 des Arzneimittelgesetzes handelt es sich bei Spice um ein Arzneimittel, weil darin Wirkstoffe enthalten sind, die nach allgemeiner Auffassung dazu dienen, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen”, sagt der Drogenbeauftragte Vorarlbergs, Univ.-Prof. Reinhard Haller. „Daher ist der Verkauf von Spice seit Mitte Dezember 2008 in Österreich verboten.”

Modedrogen sind kein neues gesellschaftliches Phänomen. Es betrifft vor allem Jugendliche, die Substanzen ändern sich häufig. „Es geht hier um riskantes Verhalten und Gruppendruck”, erläutert der Wiener Drogenbeauftragte Dr. Alexander David im Gespräch mit der Österreichischen Ärztezeitung. Das gelte auch für Spice oder eben andere „Modedrogen”: „Es wurde kolportiert, dass Spice mindestens so gut wirkt wie Haschisch, dass man es aber legal erwerben kann”, so David.

Drogen aus dem Garten
Neben kurzlebigen Erscheinungen wie Spice spielen auch andere „Natur”- oder „biogene Drogen” keine unwichtige Rolle bei Jugendlichen. „Allein in Österreichs Alpen wachsen rund 50 Pflanzen, die eine berauschende Wirkung zeigen können”, erläutert Suchtspezialist Haller: „Das reicht vom Fliegenpilz, über die Tollkirsche, den Stechapfel bis hin zur Engelstrompete.” In Wien wurden bereits vor einigen Jahren die vom Wiener Stadtgartenamt auf den Straßen aufgestellten Blumentöpfe mit Engelstrompeten entfernt, weil Jugendliche begonnen hatten, die Blüten abzuzupfen und zu rauchen oder als Tee zu konsumieren. Generell geht der Trend weniger zu den bekannten harten Drogen, als vielmehr zum Konsum von verschiedenen Substanzen mit dem einzigen Ziel der Berauschung: „Wir sehen Konsummuster, die wir mit unseren Mitteln zur Prävention und zur Therapie noch nicht einschätzen können”, sagt Alexander David. Eine Einschätzung, die sein Vorarlberger Kollege Rainhard Haller durchaus teilt: „Es ist eine sehr große Experimentierfreudigkeit zu beobachten. Die Gefahr dabei ist weniger eine Abhängigkeit, als die Unberechenbarkeit der konsumierten Substanzen”, ist sich Haller sicher. Das gilt insbesondere für biogene Drogen, die aus Pflanzen gewonnen werden und deren Substanzgehalt von vornherein nicht abgeschätzt werden kann. Das kann erhebliche gesundheitliche Probleme zur Folge haben, wie der Wiener Drogenbeauftragte Alexander David berichtet: „Abgesehen von schweren Herz-Kreislaufproblemen, die tödlich enden können, kann durch den Konsum derartiger „Pflanzendrogen” bei labilen Jugendlichen eine Psychose ausgelöst werden.”

Kuscheldroge
Das gilt auch für den Konsum von Ecstasy, einer Droge, die vor allem im Zusammenhang mit Technopartys, sogenannten „Raves” bekannt geworden ist. Vor allem im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war diese – in Tablettenform – konsumierte Droge populär. Ecstasy wird auch „Kuscheldroge” genannt, weil sie die Konsumenten enthemmt und ein intensives Gefühl der Nähe zu anderen Menschen suggeriert. Ecstasy ist ein vollsynthetisches Amphetaminderivat, das in verschiedenen Mischungen auf dem Markt ist. In Österreich wurde rasch auf die Gefahren durch exzessiven Ecstasy-Konsum reagiert: „Wir haben zahlreiche Präventionsmaßnahmen gesetzt, um Schäden zu verhindern”, erinnert sich Wiens Drogenbeauftragter Alexander David: „Die gefährlichsten Ecstasy-Substanzen wurden rasch identifiziert, weil wir regelmäßige Kontrollen im Rahmen des Projektes „Check it” auf Parties und Raves durchgeführt haben.” So konnten auch Todesfälle verhindert werden. Vor zehn Jahren starb in Niederösterreich ein Ecstasy-Konsument, seither gab es in Österreich keine bekannt gewordenen Todesfälle mehr, die durch diese Droge verursacht wurden.

Gelöst ist das Problem damit allerdings nicht, denn: „Amphetamin-Abkömmlinge tauchen immer wieder in der Szene auf”, weiß der Leiter der Suchtklinik Maria Ebene, Reinhard Haller. „Ecstasy hat insgesamt für eine stärkere Akzeptanz des Metamphetaminkonsums gesorgt”, ergänzt Alexander David. „Das ist die zweite Welle nach Ecstasy und ein wesentlich gefährlicherer Trend, weil Metamphetamine ein hohes Suchtpotenzial aufweisen.”

Kurzlebiges Phänomen
Ein weniger großes Problem stellen in Österreich dagegen sogenannte „Schnüffeldrogen” oder Gemische aus Reinigungsmitteln dar. Aktuelle Fälle wie jene drei 17jährigen aus St. Pölten, die Anfang Februar nach dem „Genuss” einer Mischung aus Felgenreiniger und Fruchtsaft mit Vergiftungen ins Krankenhaus gebracht werden mussten, stellen Ausnahmen dar, meinen die befragten Experten. „Schnüffeldrogen sind vor allem in nicht-industrialisierten Ländern ein Problem, weil sie billig und leicht zu bekommen sind”, sagt Alexander David. „Bei uns ist das ein relativ kurzlebiges Phänomen.” Einzelne Gruppen würden etwa über einen kurzen Zeitraum Treibgas aus Feuerzeugen schnüffeln – ein Verhalten, das allerdings meist nach relativ kurzer Zeit wieder aufgegeben wird und nicht zur Abhängigkeit führt.

Genau beobachten
Wenn Allgemeinmediziner mit jugendlichen Drogenkonsumenten – abseits von der Abhängigkeit von harten Drogen – konfrontiert werden, raten David und Haller zur genauen Beobachtung der Betroffenen durch die Eltern. Wenn mehr als vier Wochen lang Leistungsveränderungen, Störungen in Emotion und Affekt, Konzentrationsstörungen, Wechsel des Freundeskreises und/oder Rückzugsverhalten imponieren, könnte ein Drogenmissbrauch vorliegen. Immer verdächtig sind akute Herz-Kreislaufzwischenfälle oder akute psychotische Bilder bei jungen Menschen. „Das oft jahrelange und vertrauensvolle Verhältnis, das der „Hausarzt” zu seinen Patienten hat, bietet hier die Möglichkeit eines ersten Gespräches und des Aufzeigens von Hilfsangeboten”, hält Alexander David fest. In Wien existiert zudem mit DIALOG eine Ambulanz, die sich auf die Beratung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Drogenerfahrungen spezialisiert hat und die auch Elternberatung anbietet.

Neue Konzepte notwendig
Sogenannte „biogene Drogen” stellen für Reinhard Haller allerdings nicht das größte Problem der Suchttherapie dar. Er sieht vielmehr die nicht-substanzgebundenen Süchte als wichtigste Herausforderung: „Die Süchte der Zukunft heißen Online-Spielsucht, Internet-Sucht und Kaufsucht”, zeigt sich der Vorarlberger Drogenbeauftragte überzeugt. „Und das stellt die Behandler vor ganz neue Herausforderungen.” Zum einen geben diese Suchtkranken nur in den seltensten Fällen einen Leidensdruck an. Zum anderen kann die Suchttherapie in diesen Fällen nicht auf Abstinenz abstellen: „Es ist in der heutigen Welt schlichtweg unmöglich, Menschen von Computern fernzuhalten”, hält Haller fest. „Wir werden unsere Therapieziele in Richtung „kontrollierter Umgang” neu formulieren müssen – und darauf sind wir derzeit noch nicht sehr gut vorbereitet”, meint Haller abschließend.

Zum Nachlesen:
http://www.checkyourdrugs.at/data/_static/news/index.html
Website des Projekts Check it!

http://www.dialog-on.at/article_0.html
Verein Dialog: Beratung, Betreuung und Behandlung für Personen mit Sucht- problemen und für Angehörige