Patrick Radden Keefe: Imperium der Schmerzen -eine Empfehlung!

Wie eine Familiendynastie die weltweite Opioidkrise auslöste

Als optimistischer Mensch würde ich dieses Buch lieber nicht lesen wollen. Denn es belegt eindrucksvoll die Tatsache, dass Reichtum, abartiger, unglaublicher Reichtum wirklich alles möglich macht. Patrick Radden Keefe schreibt für den New Yorker, und das ist ein Qualitätsnachweis. Vorab: Das Buch ist unglaublich gut und genau recherchiert und spannend geschrieben. Es erklärt, wie es in den USA zur Opioidkrise gekommen ist und weist nach, wer und was dafür verantwortlich war (ist). Und es zeigt eine ganze Reihe sehr unangenehmer Wahrheiten auf. Eine davon ist: Reichtum schützt vor (fast) allem. „Das Imperium der Schmerzen“ berichtet über die Familie Sackler, die – abgesehen von einigen wenigen Veröffentlichungen über mehrere Jahrzehnte hin – der Öffentlichkeit vor allem durch ihre Philantropie bekannt war. Die Familie Sackler war und ist sehr, sehr reich. Und um ihren Namen „unsterblich“ zu machen, haben sie sehr viel Geld für Universitäten (darunter Harvard, die Columbia University und Oxford) und Museen (darunter die Tate Modern, das Guggenheim und das Smithsonian) gespendet. An sehr vielen Orten in der ganzen Welt prangt der Name „Sackler“ und machte die Familie (wie ist sie eigentlich zu ihrem Reichtum gekommen?) als Unterstützer von Kunst, Kultur und Bildung bekannt und beliebt.

Bleibt die Frage: Wer sind die Sacklers eigentlich? Und wie sind sie zu ihrem exorbitanten Vermögen gekommen? Und diese Frage beantwortet der Autor sehr ausführlich. Er stellt den „Familiengründer“ vor, Isaac Sackler und seine Nachkommen. Nachkommen, die – und dafür gibt es eine Unzahl von Belegen – nachweislich für jene Krise verantwortlich sind, die heute „Opioidkrise“ heißt und Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern in die Abhängigkeit, in vielen Fällen gar in den Tod gestürzt hat.

Denn Arthur, Mortimer und Raymond Sackler haben mit dem Kauf eines kleinen Pharmaunternehmens, namens Purdue Fredericks einen Prozess in Gang gesetzt, der aufgezeigt, dass Wörter wie „helfen“ oder „heilen“ ganz unten auf der Liste jener Intentionen stehen, die die drei Brüder im Kopf hatten, als sie die Entwicklung eines Schmerzmittels förderten und beförderten, das nicht nur rasend schnell abhängig macht, sondern damit auch unendliche Geldsummen in ihre Kassen spülte. Muss noch erwähnt werden, dass alle drei Brüder Ärzte waren?

Oxycontin heißt jenes Schmerzmittel, mit dem die Sacklers ihren Reichtum nicht begründeten aber auf eine Weise vermehrten, die sie zu Multimilliardären machte – sie und ihre Nachkommen. Dabei bedienten sie sich eines weltumspannenden Netzwerkes, um nicht nur die Zulassung ohne alle dafür notwendigen Studien (z. B. ob das Medikament etwa zu Abhängigkeit führen kann) vorzulegen, sondern auch jegliche Klagen und Ansprüche von Bundesstaaten und einzelnen Klägern jederzeit abzuschmettern und als Familie Sackler dabei in keiner Weise erwähnt zu werden. Kurz: Die USA erlebte in den vergangenen Jahrzehnten eine auf vielfältige Weise zerstörerische Schmerzmittelkrise, aber die Weste der Sacklers blieb weiß.

Das Buch ist akribisch genau recherchiert (und hat deshalb leider auch einige Längen), zeichnet exakt den Weg der Familie Sackler, der Entwicklung verschiedener, auf Morphium basierender Schmerzmittel, die Opioidkrise und ihre Folgen für Einzelne und für die USA sowie die Tricks der Pharmaindustrie was Werbung, Marketing und Verkauf betrifft auf. Es lässt einen aber auch enttäuscht zurück: Nicht etwa, weil es schlecht wäre, im Gegenteil: Sondern weil am Ende klar wird: Mit entsprechenden Mitteln kannst du weltweite Krisen, die zu beinahe unlösbaren Problemen führen auslösen. Du kannst aber damit trotzdem unendlich reich werden und rechtlich (und dem eigenen Vermögen) fast vollständig ungeschoren davon kommen.

Die letzten Worte dieser Rezension soll deshalb die weltberühmte Fotokünstlerin Nan Golding bekommen, die jahrelang selbst abhängig von Oxycontin war: “Die Sacklers sind böse.”

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