Fischismus: Arigona Zogaij – oder wie Menschenverachtung buchstabiert wird

Sie ist zu einem Symbol geworden, heißt es in den Medien. Ein Symbol, das für eine menschenverachtende, falsche und abzulehnende Politik steht. Arigona Zogaij wird Österreich verlassen. Gnädigerweise darf sie noch das Schuljahr beenden.

Arigona Zogaij und ihre Familie sind aber nicht die einzigen, denen ein solches Schicksal drohte oder noch droht. Klammheimlich werden ständig Familien abgeschoben, in der Nacht, da – wo es keiner sieht.

Die Reaktionen vieler Menschen auf Flüchtlinge, auf Menschen also, die aus irgendeinem Grund ihr Land verlassen mussten, widert mich an. Mir kommt das Kotzen, ich möchte heulen vor Wut. Wer maßt sich an zu beurteilen, warum ein Mensch sein Heimatland verlässt? Wer maßt sich an, zu behaupten, jemand sei “illegal” eingereist.

Niemand geht gerne von zu Hause weg. Deswegen heißt es ja auch “zu Hause”. Dort, wo man alles kennt, wo man die Sprache versteht, seine FreundInnen und die Familie hat. Ist das wirklich so schwer zu verstehen für so viele ÖsterreicherInnen?

Wenn man Hunde quält, ihnen weh tut, dann beißen sie irgendwann schon zu, bevor sie noch geschlagen werden – man nennt solche Tiere auch “Angstbeißer”.

Dieses Wort fällt mir ein, wenn ich die unglaublichen Meinungen vieler ÖsterreicherInnen zum Thema “Ausländer” höre. Es seien “zu viele” im Land. Sie würden sich “durchschmarotzen”. Und “die Afrikaner sind sowieso alle Drogendealer”.

Was ist das Anderes als eine – meiner Ansicht nach – völlig unbegründete Angst davor, eigenen Besitz zu verlieren? Etwas abgeben zu müssen von dem ohnehin zu vielen, was wir haben? Das ist lächerlich, es ist falsch, es ist krank.

Menschen, wie die Zogaijs, die hier stellvertretend für all jene stehen sollen, von denen in den Medien nicht berichtet wird, Menschen wie die Zogaijs nehmen überhaupt niemandem etwas weg. Im Gegenteil: Sie geben noch dazu. Niemand verliert etwas durch diese Menschen, niemand muss seinen Besitz mindern, weil Flüchtlinge sich in Österreich integrieren.

Gestern war eine Demonstration in Wien. Am Heldenplatz versammelten sich viele tausend Menschen, um ein öffentliches, ein sichtbares Zeichen für Menschen wie Arigona Zogaij zu setzen. Ich war da. Ich habe zugehört und mir wurde schwer ums Herz. Nicht wegen der Demonstration, natürlich nicht. Aber: Weil so eine Demonstration notwendig ist. Weil es in einem reichen, sicheren Land wie Österreich Menschen gibt, viele Menschen, die meinen, sie müssten andere Menschen von ihren Fleischtöpfen vertreiben. Und weil “nur” ein paar Tausend sich am Heldenplatz versammelt haben, um sich gegen diese Sichtweise zu stellen.

“Ich möchte heute hier nicht stehen müssen”, sagte die – übrigens großartige Rednerin – ehemalige ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha in ihrer gestrigen Rede am Ballhausplatz. Ich mochte auch nicht. Aber manchmal muss man müssen, auch wenn man nicht möchte – und die österreichische Politik in diesem Zusammenhang menschenunwürdig, zynisch und verachtend findet.

PS: Ein Wort noch zum Thema “Wirtschaftsflüchtling”. Ich kann es nicht mehr hören. Was soll das heißen “Wirtschaftsflüchtling”? Ausgesprochen wird es immer mit einem leicht verachtenden Unterton. Wenn ein Mensch, der in seiner Heimat keine Zukunft für sich und seine Familie sieht, weil er kein Geld verdienen kann, sich nichts aufbauen kann, ja, wenn das Leben einfach nicht lebenswert ist. Und wenn ein Mensch deswegen seine Heimat verlässt, um in einem anderen Land als Flüchtling Aufnahme zu finden, und die Möglichkeit, sich ein lebenswertes Leben aufzubauen – was zum Henker ist daran falsch?

Ich lebe in einem Land, in dem niemand auf mich schießt, in dem ich nicht täglich aufs Neue um mein Essen kämpfen muss. Ich musste überhaupt noch nie hungern. Immer wohnte ich in menschenwürdigen Umständen, immer durfte ich meine Meinung sagen. Immer hatte ich die Möglichkeit, mit dem was ich gerne tue, Geld zu verdienen (natürlich viel zu wenig, aber das ist eine andere Geschichte). Ich lebe gern in Österreich. Aber ich kann nichts dafür. Ich habe mir nicht ausgesucht, hier geboren zu werden. Und Menschen, die aus wirtschaftlichen oder sonst irgendwelchen Gründen zu uns flüchten, die haben sich auch nicht ausgesucht, wo und unter welchen Umständen sie geboren worden sind.