Oben wird die Luft dünn

Mehr als 50 Prozent der Medizinstudierenden sind Frauen – bei den ProfessorInnen sind es nur noch 10 Prozent. Je weiter oben in der Hierarchie desto weniger Frauen – das scheint auch heute noch Gültigkeit zu haben. In der Medizin gilt dies genauso wie in der Wirtschaft. Frauen wird der Aufstieg nach wie vor schwer gemacht. Änderungen greifen nur langsam.

Auch wenn heute mehr als 50 Prozent der Medizinstudierenden Frauen sind – die Leitungsfunktionen in der Medizin sind immer noch hauptsächlich von Männern dominiert. In Zahlen ausgedrückt: Der Anteil an ordentlichen Professorinnen an der Meduni Wien beträgt 7,6 Prozent, in Graz liegt der Frauenanteil unter den ProfessorInnen bei knapp über drei Prozent und in Innsbruck bei knapp neun Prozent.

Kein Grund zum Jubeln

Auch in den Leitungsgremien der medizinischen Universitäten sieht es bis dato nicht viel besser aus: Nur drei von neun VizerektorInnen der Medizinunis sind weiblich. Eine Rektorin sucht man an Österreichs Medizinunis bis dato vergeblich. Dieser Trend setzt sich nach unten fort: Der Frauenanteil bei den Studierender der Medizin beträgt in Österreich aktuell 56 Prozent. Auch bei den Abschlüssen dominieren die Frauen mit über 50 Prozent. Auch in der postpromotionellen Ausbildung sieht vorerst alles schön „gegendert“ aus: Rund 58 Prozent der Turnusärztinnen sind weiblich. Betrachtet man die Facharztausbildung, geht die Schere allerdings bereits weit auseinander: Österreichweit sind nur rund 30 Prozent aller FachärztInnen Frauen. In einzelnen Fächern, wie etwa der Chirurgie, beträgt der Frauenanteil sogar nur knapp 14 Prozent. Und in den Krankenhäusern – da geht die Schere schon bei den AssistenzärztInnen auf: 108 Jahre nach der Öffnung der medizinischen Fakultät für Frauen, im Jahr 2008 beträgt der Anteile von Frauen bei den Assistenzärtzinnen und Ärzten zwischen 30 und 40 Prozent, bei den habilitierten sinkt der Wert auf 15 bis 18 Prozent. Bei den Professuren – siehe oben – sind nach wie vor über 90 Prozent der Stellen mit Männern besetzt.

Papier ist geduldig

Frauenförderungsprogramme und Genderprogramme sind seit der Novelle des Universitätsorganisationsgesetzes 2002 gesetzlich vorgeschrieben. Jede Medizinuni in Österreich verfügt über Programme zur Förderung der Karrieren von Medizinerinnen. Fortschritte passieren allerdings nur sehr, sehr langsam: „Göttinnen in Weiß gibt es noch lange nicht“, hielt etwa die Vizerektorin für Personalentwicklung und Frauenförderung an der Medizinischen Universität Wien, Prof. Dr. Karin Gutierrez-Lobos anlässlich des Frauentages 2008 am 8. März fest.

Wenig Unterstützung

viele Ärztinnen wünschten sich eine „Ehefrau“ herbei, die die Kinder erzieht, den Haushalt macht und den Rücken freihält. Womit bereits ein wesentlicher Grund für die schlechteren Karrieremöglichkeiten von Frauen in der Medizin genannt ist: Nur wer sich vorbehaltlos der eigenen Karriere widmen kann, wird auch aufsteigen. Wer Kinder hat, tut sich damit schon deutlich schwerer – vorausgesetzt, „derjenige“ ist eine Frau. Denn während Ärzte, Professoren und Klinikvorstände im Regelfall verheiratet sind und Kinder haben, finden sich unter Medizinerinnen in Führungspositionen eine hohe Anzahl von unverheirateten und kinderlosen Frauen. Für die erste Vorständin einer gynäkologischen Abteilung in Österreich, Prof. Dr. Teresa Wagner (siehe Ärztewoche Nr.) ist etwa klar: „Mit Kindern wäre meine Karriere vollkommen anders verlaufen.“ Eines der Ziele der Primaria der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Kaiser Franz Josef Spital ist folgerichtig: „Ich bemühe mich jetzt in meiner Position als Primaria, Frauen in meinem Umfeld zu ermöglichen, Karriere und Kind zu vereinbaren.“

Raues Klima

Natürlich gibt es auch jene Medizinerinnen, die alles vereinbaren können: In unserer Interviewreihe zählen dazu Prof. Dr. Hildegunde Piza-Katzer, Vorständin der Abteilung für Plastische, Rekonstruktive und Wiederherstellungschirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck, die allerdings festhält: „Es geht nicht ohne ein riesiges Hilfsnetz: Meine Eltern, die Eltern meines Mannes und natürlich eine Haushälterin, die mittlerweile seit 25 Jahren bei uns ist, haben uns unterstützt. Mein Mann ist mein bester Freund, der meine Karriere immer mitgetragen hat.“ Auch die Fachärztin für Dermatologie und Venerologie und Oberärztin an der Medizinischen Universität Graz, Prof. Dr. Elisabeth Aberer schaffte die Karriere plus Kindern. Der Preis dafür war hoch: „Wenn ein Kind krank wird, ist die ganze mühsam organisierte Einteilung beim Teufel. Nach schlaflosen Nächten wieder an die Arbeit zu gehen, kostet sehr viel Kraft.“

Dicke Haut

Wer eine medizinische Karriere anstrebt, braucht Durchsetzungsvermögen, einen starken Willen, viel Kraft und eine dicke Haut. So wie die bereits erwähnte Hildegunde Piza. Sie wurde 199x als Vorständin für Plastische, Rekonstruktive und Wiederherstellungschirurgie an die Medizinische Universität Innsbruck berufen. Sie war die erste Frau in dieser Position in Österreich und wurde mit den Worten: „Hier hat niemand auf Sie gewartet“*, empfangen. Und die erste ordentliche Professorin für Gerichtsmedizin am Wiener Department für Gerichtliche Medizin, Prof. Dr. Andrea Berzlanovich durfte sich anlässlich ihrer Bewerbung um eine Facharztstelle an eben jenem Institut anhören: „„Sie sind doch gar nicht so hässlich, dass sie keinen Mann bekommen – warum wollen Sie denn die Stelle haben?“ Vizerektorin Karin Gutierrez-Lobos rät allen Kolleginnen: „Versuchen Sie Beleidigungen nicht persönlich zu nehmen. Ich selbst habe immer versucht, paradox zu intervenieren, etwa wenn mir jemand „Karrieregeilheit“ unterstellt hat: Dann habe ich geantwortet: Na klar bin ich karrieregeil.“

Bereits Mädchen fördern

Einig sind sich alle interviewten Medizinerinnen darin: Eine Intervention, eine Förderung zu Beginn der medizinischen Karriere ist sinnvoll. Frauenförderung sollte allerdings bereits viel früher ansetzen, nämlich in der Schule. Das sieht Teresa Wagner: „Ich glaube aber, wir müssen schon viel früher ansetzen, nämlich im Elternhaus: Eine Frau, der in den wichtigsten Jahren ihres Lebens nur kommuniziert wird, sie sei weniger wert, wie soll die Selbstbewusstsein entwickeln?“ genauso wie Karin Gutierrez-Lobos: „Wir müssen schon viel früher anfangen – bei den Studierenden. Dort planen wir, bereits in das Studium Angebote zur Karriereförderung zu integrieren. Ich möchte unser Mentorinnen-Programm ausbauen und ganz allgemein die Leistungen unserer Frauen sichtbar machen. Und eine aktuelle Studie der Bildungspsychologin Dr. Christiane Spiel konnte zeigen, dass eine Förderung von Mädchen bereits in der Schule notwendig ist. Die Studie wurde nach dem Ergebnissen der Medizineingangstests 2007 in Auftrag gegeben. Der Grund dafür: Frauen schneiden – und zwar ausschließlich in Österreich – bei diesen Tests deutlich schlechter ab als Männer. Die vorläufigen Ergebnisse der von Christiane Spiel geleiteten Studie deuten auf Defizite in der Schulbildung hin. Mädchen wurden eher für Wohlverhalten, Burschen eher für Leistungen gelobt und benotet. Die Endergebnisse der Studien stehen noch aus.

Selbst ist die Frau

Klar ist, Frauen können (und müssen wohl auch) sehr viel selbst tun, wenn sie eine Karriere in der Medizin anstreben. So sagt die Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, Dr. Susanne Rabady dazu „Ich denke, Frauen dürfen nicht in der Opferrolle verharren, da wird sie niemand herausholen.“ Hildegunde Piza und Margarethe Hochleitner raten zu einer intensiven Vernetzung mit KollegInnen. Gerichtsmedizinerin Andrea Berzlanovich setzt auf „Engagement und Selbstbewusstsein, ebenso wie auf einen eisernen Willen und Hartnäckigkeit.“ Und die neue Vizerektorin der Medizinischen Universität Wien, Karin Gutierrez-Lobos rät: „Ich glaube, es ist wirklich wichtig, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Es ist wichtig, mit anderen Frauen in der gleichen Situation Kontakt aufzunehmen. Und ich glaube, man sollte eine Vorstellung von der eigenen Karriere haben: Es ist nicht obszön oder falsch, als Frau Karriere machen zu wollen.“ Frauen müssen wissen, was sie wollen, und sie brauchen Kraft, Mut und den Willen, dies auch durchzusetzen. Die in der Ärztewoche vorgestellten 10 Frauen haben vorgezeigt, wie eine Karriere in der Medizin möglich ist (siehe Kasten 1). Von Gleichberechtigung in der Medizin ist allerdings auch 2008 noch nicht allzu viel zu sehen.

Teresa Wagner fordert deshalb eine Quotenregelung für Leitungsfunktionen in Krankenhäusern und Universitäten: „Ich bin für eine Quotenregelung, auch in der Medizin. Da halte ich es ganz mit der ehemaligen Frauenministerin Johanna Dohnal: Wenn genauso viele unfähige Frauen wie unfähige Männer in Führungspositionen sind, dann besteht Gleichberechtigung.“

Quotenregelung

* nachzulesen in der Studie Hochleitner, Margarethe: „Hier hat niemand auf Sie gewartet!“ Frau in der Medizin “Ärztinnenstudie” 2002

Universität Innsbruck innsbruck university press iup

ISBN: 978-3-901249-73-0

Kasten 1: Die vorgestellten Medizinerinnen:

Prof. Dr. Andrea Berzlanovich, Department für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Wien

Prof. Dr. Hildegunde Piza, Vorstand der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Wiederherstellungschirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck

Prof. Dr. Teresa Wagner, Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Kaiser Franz Josef Spital, Wien

Prof. Dr. Magarethe Hochleitner, Vizerektorin für Personal, Personalentwicklung und Gleichstellung, Medizinische Universität Innsbruck

Prof. Dr. Karin Gutierrez-Lobos, Vizerektorin für Personalentwicklung und Frauenförderung, Medizinische Universität Wien

Prim. em Dr. Karoline Kahn, emeritierte Leiterin der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Kaiser Franz Josef-Spital, Wien

Prim. Prof. Dr. Monika Lechleitner, Leiterin der Abteilung für Innere Medizin und Akutgeriatrie, LKH Hochzirl

Dr. Susanne Rabady, Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin

Dr. Eveline Fasching, 1. Vizepräsidentin der Ärztekammer für Kärnten

Prof. Dr. Elisabeth Aberer, Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz