Die Gynäkologie ist ein besonders breites Fach innerhalb der Sonderfächer. Der Gynäkologe gilt heute vielfach aus „Hausarzt” der Frau, er begleitet sie von der Menarche bis weit ins hohe Alter. Von der Allgemeingynäkologie, über die Geburtshilfe bis hin zur gynäkologischen Onkologie, Urogynäkologie und Endokrinologie spannt sich der Bogen der Tätigkeit.
Dies sollte sich auch im Curriculum niederschlagen.Wer sich niederlassen will, sollte in der Ausbildung einen anderen Focus haben, als jemand der in erster Linie operativ tätig ist, Reproduktionsmedizin oder Endokrinologie machen will, fordert der Leiter Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Frauenklinik im Wiener AKH, Prof. Dr. Sepp Leodolter im „Fächerreigen”-Gespräch mit der Ärztewoche.
Welche Änderungen halten Sie in der Ausbildung zum Gynäkologen für wichtig?
Leodolter: Es ist beispielsweise immer noch für jeden Auszubildenden vorgeschrieben, 35 Hysterektomien durchzuführen. Das halte ich für völligen Nonsens. Jemand, der in die Praxis geht braucht andere Schwerpunkte. So jemand sollte natürlich bei Operationen assistieren, um zu wissen, wie das geht, aber mit der Forderung selbst eine operative Ausbildung durchzumachen, behindert er letztendlich jemanden, der sich auf operative Gynäkologie spezialisieren will. Jemand der Endokrinologie machen will, soll sich frühzeitig darauf spezialisieren können, jemand der in die Reproduktionsmedizin gehen will, sollte hier einen Schwerpunkt setzen können. Der niedergelassene Gynäkologe braucht vor allem hohe Kompetenz in der Routine-Beratung, Vor allem sollte der Vorsorgemedizin ein hoher Stellenwert zukommen. Das wird in der Ausbildung derzeit viel zu wenig berücksichtigt.
In welcher Form sollten sich ihre Vorschläge in der Ausbildungspraxis niederschlagen?
Leodolter: Der zeitliche Rahmen sollte natürlich die vorgeschriebenen sechs Ausbildungsjahre umfassen. Die Inhalte sollten allerdings andere sein als jetzt. Hier sollte der Focus einerseits auf Prävention und anderseits auf diagnostischen und konservativen Therapiemethoden liegen, die der niedergelassene Gynäkologe für seine Praxistätigkeit braucht. International wird heute in der weiteren Ausbildung von drei Säulen ausgegangen: der operativen Gynäkologie und der gynäkologischen Onkologie; der Geburtshilfe und Perinatalmedizin und der Endokrinologie und Sterilitätsbehandlung.
Wurden diese Forderungen auch in der neuen Ausbildungsordnung berücksichtigt?
Leodolter: Wir haben bereits ein Curriculum für die Weiterbildung in gynäkologischer Onkologie eingereicht, das liegt derzeit in der Ärztekammer. Wir erwarten nun, dass, ergänzend zur Ausbildung des „Gesamtfrauenarztes”, die Weiterbildung für die oben genannten Subspezialitäten institutionalisiert wird.
Was begeistert Sie an Ihrem Fachgebiet?
Die Arbeit als Gynäkologe und Geburtshelfer ist gesamtheitlich, sie geht weit über eine punktuelle Sichtweise hinaus. Bei uns gibt es nicht die Frau Mayer, der wir die Gallenblase entfernen, und dann geht sie wieder nach Hause. Viele Frauen begleiten wir ein Leben lang – von der Menarche bis ins hohe Alter. Das verschafft einen ganz anderen Zugang zu den Patientinnen und zu ihren Familien.
Was hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten in der Frauenheilkunde verändert?
Leodolter: Es hat, wie bereits erwähnt, eine starke Spezialisierung stattgefunden. Während ein Frauenarzt vor 30 Jahren eigentlich recht gut die Gynäkologie und die Geburtshilfe in gleicher Weise abdecken konnte, wie die Endokrinologie, ist doch für gewisse Fragestellungen heute der Spezialist zuständig. Einen besonderen Stellenwert innerhalb der Spezialisierungen hat natürlich insbesondere auch die Reproduktionsmedizin, die der Allgemeingynäkologie heute nicht mehr in vollem Ausmaß abdecken kann.
Ist die Zeit des Allgemeingynäkologen vorbei?
Leodolter: Nein, auf keinen Fall. Der Allgemeingynäkologe hat eine sehr wichtige Gate-Keeper-Funktion. Er ist es, der die Triage durchführt, der sagt, 70 bis 80 Prozent der Fragestellungen kann ich selber kompetent abdecken, für die übrigen 20 bis 30 Prozent brauche ich einen Spezialisten.
Welches werden in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen in der Frauenheilkunde sein?
Leodolter: Ganz sicher wird, wie schon oben angeführt, die Prävention ein immer wichtigerer Faktor; im gesamten Fachbereich werden Denken Sie einerseits an die Geburtshilfe, anderseits an die Onkologie, z.B. an das Zervixkarzinom und den Brustkrebs; da ist die regelmäßige Vorsorge das Um und Auf. In Zukunft wird es sicher Modelle geben, um das individuelle Risiko zu evaluieren, als Voraussetzung für präventive Maßnahmen.
Was raten Sie einem Medizinstudenten, der Gynäkologe werden will?
Leodolter: Wenn jemand eine universitäre Laufbahn einschlagen will, ist es gut, wenn der Kandidat bereits während seines Studiums an der Klinik famuliert hat. Die meisten Medizinabsolventen, die dann zu uns kommen, waren schon während ihres Studiums im Haus und arbeiteten wissenschaftlich. Die haben oft bei der Promotion schon so viele wissenschaftliche Arbeiten, dass sie sich habilitieren könnten. Wer sich andererseits nach der Facharztausbildung niederlassen will, sollte in dem Krankenhaus, in dem er seine Ausbildung machen will, ebenfalls schon während seines Studiums mitarbeiten und versuchen, sich während seiner Turnuszeit soweit zu bewähren, dass er oder sie einen Ausbildungsplatz bekommt.
Wie gestaltet sich die Ausbildungssituation derzeit?
Leodolter: Sehr schwierig. Es werden überall Stellen eingespart. Trotzdem würde ich niemandem abraten, die Facharztausbildung anzustreben. Wer also diesen Weg unbedingt gehen will, der wird das letzten Endes auch schaffen. Allerdings, wenn jemand zwar auf die Gynäkologie fokussiert ist, aber sich beispielsweise auch die Chirurgie vorstellen kann und dann dort einen Ausbildungsplatz bekommen würde, sollte er dieses Angebot möglicherweise annehmen.