Suchtgefahr bei Schmerztherapie gering

Starke Schmerzen können heute mit potenten Medikamenten in den meisten Fällen suffizient gelindert werden. Trotzdem wird beispielsweise die Opioidtherapie immer noch kontroversiell diskutiert – Stichwort Abhängigkeit.„Die Diskussion rund um das Suchtpotenzial von Opioiden ist immer noch oft eine ideologische und keine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema”, kritisierte die Fachärztin für Psychiatrie, Prof. Dr. Henriette Walter von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie anlässlich der Südbahn Schmerzgespräche 2007 in Reichenau an der Rax: „Gerade bei nur gering beeinflussbaren Grundleiden, wie etwa Tumorerkrankungen, können wir allerdings froh sein, dass wir heute über Mittel verfügen, die auch bei schweren chronischen Schmerzen zu einem einigermaßen lebenswerten Zustand führen”, hielt Walter fest.

Geringe Suchtgefahr
Sind Schmerzzustände klar organisch bedingt, ist die Suchtgefahr äußerst gering. „Wird das Schmerzmittel dagegen nicht zur Schmerzlinderung eingenommen, sondern zur Änderung des Befindens und der Stimmungslage, steigt die Suchtgefahr dagegen an”, so Walter weiter. Eine Dosissteigerung bedeutet dagegen durchaus nicht immer ein Symptom der Suchtentwicklung, vielmehr kann diese auch aufgrund von zunehmenden Schmerzen notwendig geworden sein, etwa bei terminal erkrankten TumorpatientInnen. „Regelmäßige ärztliche Kontrolltermine reduzieren die Suchtgefahr noch weiter”, sagte Walter.

Was ist Sucht?
Um Schmerztherapeutika auf Opioidbasis „den Schrecken zu nehmen”, erscheint es sinnvoll, im Vorfeld abzuklären, wie Sucht entsteht und welche Personen eher suchtgefährdet sind. So sorgt das Belohnungssystem im Gehirn für das immer wieder kehrende Verlangen nach positiven Reizen. Das gilt für Nahrung – hungrig schmeckt das Essen besser – ebenso wie für süchtig machende Substanzen, wie etwa Alkohol oder Nikotin. Wer bereits Suchterfahrungen gemacht hat, wird auch in der Schmerztherapie anfälliger auf eine Suchtentwicklung sein. Eine Unterscheidung war Walter dabei besonders wichtig: „Sucht ist keine Erkrankung des Suchtmittels, sondern eine Erkrankung der Person, wobei die primäre Vulnerabilität der Person äußerst wichtig ist.”

Vulnerabilität abklären
Bei Indikation für eine Schmerzbehandlung muss jedenfalls im Vorfeld abgeklärt werden, ob sucht-„fördernde” Aspekte in der Persönlichkeit und Geschichte des Patienten bestehen: „Vorsicht ist geboten, wenn etwa Sucht in der Familie ein Thema war (ist) und selbstverständlich dann, wenn beim Patienten eine bestehende Sucht vorliegt, wie etwa Alkohol, Benzodiazepine und ein Fagerström-Score höher fünf bei RaucherInnen”, erläuterte Walter. Nicht vergessen werden darf in der Schmerzbehandlung, dass chronische Schmerzen auch zu Depressionen führen können. „Depressive Zustandsbilder sollten nicht mit Schmerzmitteln „zugedeckt” werden”, warnte Walter. Vielmehr sollten diese im Rahmen der Schmerzbehandlung – beispielsweise mittels Psychotherapie oder Antidepressiva – ebenfalls therapiert werden. Eine erfolgreiche Depressionsbehandlung kann auch dazu führen, dass die Schmerzintensität abnimmt.

Begleitung terminal Kranker
Bei terminal Erkrankten Menschen, die unter oft extrem starken Schmerzen leiden, darf das Thema Sucht in der suffizienten Schmerztherapie keine Rolle mehr spielen”, zeigte sich Walter überzeugt. Allerdings gilt auch hier: „Gerade terminal Kranke entwickeln häufig Zustandsbilder, die, neben der Schmerzbehandlung, eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung notwendig machen”, hielt Walter fest. „Psychopathologische Bilder, die im Rahmen der psychischen Auseinandersetzung mit einer schweren organischen Grunderkrankung, auch mit der Auseinandersetzung mit dem Tod auftreten, sollten spezifisch psychotherapeutisch und wenn nötig, medikamentös behandelt werden”, schloss Walter ihren Vortrag.