Endometriose bleibt oft jahrelang unerkannt

Jede zehnte Frau im reproduktiven Alter leidet unter dieser Erkrankung. Sehr starke Menstruationsschmerzen, Blut im Stuhl, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und/oder Unfruchtbarkeit sind Symptome, die auf eine Endometriose hindeuten.„Im Extremfall kann eine unbehandelte Endometriose zu Organverlust führen”, erläuterte die Allgemeinmedizinerin und Akupunkturspezialistin Dr. Evemarie Wolkenstein im Gespräch mit der Ärztewoche. Das ist dann der Fall, wenn sich die versprengte Gebärmutterschleimhaut auf einem Organ, wie der Niere ansiedelt. Unbehandelt kann dies bis zum Versagen des befallenen Organs führen.

Lange Wartezeit
Endometriose ist häufig: Jede zehnte Frau im reproduktiven Alter leidet daran. Meist beginnt die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter zwischen 20 und 30. Im Durchschnitt dauert es allerdings rund drei Jahre, bis die Betroffenen einen Arzt aufsuchen. Bis zu sieben Jahre kann es dann noch dauern, bis die richtige Diagnose gestellt wird. „Immer wieder wird die Diagnose „Regelschmerzen” gestellt, und den Patientinnen werden Schmerzmittel verschrieben”, hielt die Gynäkologin Prof. Dr. Elisabeth Kucera-Sliutz von der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Universitätsfrauenklinik, AKH Wien im Gespräch mit der Ärztewoche fest.

Achtung bei Schmerzen
„Das ist durchaus nicht unverständlich”, so Wolkenstein: „Eine Endometriose kann nur durch eine invasive Untersuchung mit dem Endoskop definitiv festgestellt werden.” Und gerade jungen Frauen wolle man einen derartigen Eingriff oft nicht gleich beim ersten Auftreten der Schmerzzustände zumuten. Treten die Schmerzen allerdings bei jeder Menstruation auf und kommen Symptome wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und/oder Blut in Stuhl oder Urin hinzu, muss die Verdachtsdiagnose Endometriose endoskopisch abgeklärt werden. Auch eine Unfruchtbarkeit, die über zwei Jahre anhält, kann auf Endometriose hindeuten: „Halten die Beschwerden länger als zwei Jahre an und besteht über diesen Zeitraum ein unerfüllter Kinderwunsch, ist die endoskopische Untersuchung jedenfalls indiziert”, weiß auch Kucera-Sliutz.

Unbekannte Ätiologie
Wie Endometriose entsteht, ist immer noch Gegenstand der Forschung. Drei Theorien werden derzeit wissenschaftlich verfolgt. Retrograde Blutungen in den Bauchraum während der Menstruation, die zur Versprengung von Gebärmutterschleimhaut im Bauchraum und damit zur Endometriose führen, ist eine These. „Eine andere interessante, allerdings noch unbewiesene Theorie geht davon aus, dass Embryonalzellen außerhalb des Uterus zu Endometriumszellen im Erwachsenenalter dann hormonell aktiv werden”, erklärte Kucera-Sliutz. Und die dritte derzeit untersuchte Theorie geht von einer direkten Ausschwemmung von Gebärmutterschleimhautzellen in den Bauchraum aus. Bewiesen ist derzeit noch keine dieser Theorien, was eine kurative Therapie der Endometriose erschwert.

Der Blick in die Bauchhöhle
Um eine Endometriose diagnostisch abzuklären, ist ein endoskopischer Eingriff notwendig: „Dabei werden, unter Allgemeinanästhesie, links und rechts im Unterbauch werden zwei etwa fünf bis zehn Millimeter lange Schnitte gemacht, das Endoskop selbst wird durch den Bauchnabel in den Bauchraum eingeführt. „Mit Hilfe des Endoskop wird die Lokalisation der Gebärmutterschleimhautinseln vorgenommen”, so Allgemeinmedizinerin Wolkenstein. „Liegt eine schwere Form der Endometriose vor, kann es allerdings auch sein, dass schon in der Vaginalsonographie beim Gynäkologen Zysten im Bereich der Ovarien festgestellt werden können”, ergänzte Kucera-Sliutz. „Ein endoskopischer Eingriff zur Erhärtung der Diagnose muss allerdings auch hier durchgeführt werden.” Erreichbare Inseln werden bei diesem Eingriff entfernt. Eine Heilung kann damit allerdings in vielen Fällen nicht erreicht werden: „Manche dieser Inseln sind mikroskopisch klein, können daher auch mit dem Endoskop nicht gesehen werden, oder sie liegen an Stellen, die endoskopisch nicht erreicht werden können”, weiß Gynäkologin Kucera-Sliutz. Dann muss die betroffene Patientin mit einem Wiederauftreten der Erkrankung rechnen.

Lästige Zysten
Nicht nur Schmerzen, auch Unfruchtbarkeit kann durch Endometriose verursacht werden. Besonders dann, wenn sich aufgrund der Erkrankung bereits Zysten an den Eierstöcken gebildet haben, weiß Wolkenstein: „Diese Zysten sind durch nichts beeinflussbar und können nur operativ entfernt werden.” Sie können auch das Wachstum eines normalen Follikels verhindern, was dazu führt, dass der Kinderwunsch vieler Endometriosepatientinnen unerfüllt bleibt. Die Zysten müssen ebenso wie alle erreichbaren Endometrioseinseln, mittels Laparaskopie entfernt werden, können allerdings immer wieder auftreten.

Künstlicher Wechsel
Um dies hintan zu halten, gilt bei schweren Endometriosefällen die ergänzende medikamentöse Therapie als State of the Art. Dabei werden Hormone verabreicht, die die Östrogenproduktion der Patientin unterdrücken. Werden keine Hormone mehr produziert, werden jene Inseln, die laparoskopisch nicht zu entfernen waren, praktisch ausgehungert. Der Nachteil der Behandlung liegt auf der Hand: „Die Patientinnen sind meist zwischen 20 und 40 Jahren alt und werden künstlich in den Wechsel versetzt”, umreißt Wolkenstein das Problem. „Sie haben dann zwar keine Endometriose-bedingten Schmerzen mehr, können allerdings erheblich unter Wechselbeschwerden leiden.” Die Hormontherapie wird deshalb nur in schweren Endometriosefällen durchgeführt, die mit sehr starken Schmerzen einhergehen. Die Behandlung ist zeitlich limitiert: Die Dauer beträgt zwischen sechs und zwölf Monaten.

Alternative Akupunktur
Bei Frauen, die chronisch an Endometriose erkrankt sind, helfen oft tatsächlich nur Schmerzmittel, um die Schmerzzustände einigermaßen unter Kontrolle zu halten. „Und alle Schmerzmittel weisen, vor allem, wenn sie über lange Zeit eingenommen werden müssen, Nebenwirkungen auf”, so Kucera-Sliutz. Und Wolkenstein ergänzt: „Irgendwann haben die Frauen dann oft auch einfach keine Lust mehr, Schmerzmittel zu schlucken und suchen nach alternativen Behandlungsansätzen.” Einer dieser Behandlungsansätze ist die Akupunktur, die Wolkenstein seit vielen Jahren in ihrer Ordination anbietet.
Um festzustellen, ob die Therapie tatsächlich wirksam ist oder der Placeboeffekt überwiegt, hat sie – gemeinsam mit Gynäkologin Kucera-Sliutz und Allgemeinmediziner Dr. Katharina Rubi-Klien – eine umfangreiche Studie mit 120 Endometriose-Patientinnen durchgeführt. Ausgewertet werden konnten die Daten von 83 Patientinnen, die die Studie bis zum Ende mitgemacht hatten. In dieser Cross-Over-Studie, die über ein Jahr gelaufen ist, wurden die Frauen in zwei Gruppen eingeteilt: Die erste Gruppe erhielt über zehn Wochen eine spezifische Akupunktur-Behandlung, die andere Gruppe eine – zwar ebenfalls wirkungsvolle, aber unspezifische Behandlung. Nach einem Beobachtungszeitraum von zwei Monaten wurden die Gruppen geswitcht. Die Daten, die derzeit für eine Publikation vorbereitet werden, sprechen eine eindeutige Sprache: „In der Verumgruppe konnte eine signifikante Verbesserung der Schmerzen und eine deutliche Erhöhung der Lebensqualität festgestellt werden”, resümierte Wolkenstein die Studienergebnisse.

Stauung beseitigen
„Die traditionelle chinesische Medizin geht davon aus, dass Endometriose durch Kälte im Unterbauch entsteht, die über den Nierenmeridian an der Fusssohle beginnt, aufsteigt”, erläuterte Wolkenstein: „Dadurch ist der Fluss von Chi und Blut nicht mehr gewährleistet, stagniert, und dieses Stagnieren macht extreme Schmerzen.” Mit Hilfe der Akupunktur wird wieder Wärme in den Unterbauch zugeführt, damit der Zirkulationsstau verbessert wird. Wie die Studie, die Wolkenstein und Kucera-Sliutz durchgeführt haben, ebenfalls zeigte, war die Akupunktur auch gegen Unfruchtbarkeit wirksam: „Immerhin sieben Frauen, die schulmedizinisch als unfruchtbar diagnostiziert worden waren, sind nach der Studie schwanger geworden”, freute sich Wolkenstein.

Heilung durch Schwangerschaft
Wenn eine Endometriosepatientin schwanger wird, ist die Erkrankung meist kein Thema mehr. Sie verschwindet und kommt auch nach der Entbindung meist nicht wieder, weiß Kucera-Sliutz: „Wenn die Patientin einmal schwanger war, ist die Endometriose meist nachher kein Thema mehr.” Auch nach dem Wechsel verschwindet die Erkrankung in den meisten Fällen.