Das Mamma-Carcinom ist mit 28 Prozent aller Krebserkrankungen nach wie vor der häufigste Tumor der Frau. Die Therapie hat in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung erfahren. Neue Medikamente sorgen für ein verbessertes Langzeitüberleben und weniger Rückfälle.
Lebensstilfaktoren, wie Übergewicht und Bewegungsarmut, die steigende Lebenserwartung und nicht zuletzt der extensive Einsatz der Hormonersatztherapie haben in den vergangenen Jahrzehnten zu einem kontinuierlichen Anstieg der Brustkrebsrate geführt (siehe Abbildung 1). Mittlerweile flacht sich diese Kurve allerdings wieder ab: „Es ist nicht bewiesen, aber es bestehen durchaus Hinweise, dass die – oft jahrelange – Einnahme einer Hormonersatztherapie wesentlich zu diesem Anstieg beigetragen hat”, weiß Univ.-Prof. Christian Marth, Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde an der Medizinischen Universität Innsbruck. „Ich glaube wir haben den Höhepunkt überschritten”, sagt der Brustkrebsspezialist im Interview mit der Österreichischen Ärztezeitung und prognostiziert eine Rate von etwa 4.000 Neuerkrankungen in Österreich pro Jahr für die kommenden Jahre.
Mehrsäulenmodell
Die Therapie des Mamma-Ca fußt auf mehreren Säulen. So steht die Tumorresektion immer noch an erster Stelle der therapeutischen Maßnahmen. Die neoadjuvante Chemotherapie, die zur Verkleinerung des Tumors eingesetzt wurde und vor allem die Rate an brusterhaltenden Operationen verbessert hat, konnte in allen bisherigen Studien dagegen keine positiven Auswirkungen auf die Heilungsraten zeigen. „Wenn die Patientin allerdings eine brusterhaltende Operation wünscht und der Primärtumor groß ist, erweist sich die neoadjuvante Chemotherapie allerdings nach wie vor als sinnvoll”, berichtet Univ.-Prof. Ernst Kubista, Leiter der Abteilung für spezielle Gynäkologie an der Frauenklinik des Allgemeinen Krankenhauses Wien. Auch bei einem inflammatorischen Mamma-Ca mit starker Lymphangiose ist eine neoadjuvante Chemo- und Strahlentherapie sehr vernünftig, „weil eine frühe Operation ohne neoadjuvante Therapie jedenfalls zu einer Tumoraussaat führen würde”, so Kubista weiter.
Nicht zuletzt spielt die neoadjuvante Therapie für die immer wichtiger werdende molekulare Diagnostik des Mamma-Ca eine wesentliche Rolle. Dabei wird der Patientin vor und nach einer neoadjuvanten Chemotherapie Tumorgewebe entnommen: „Damit können wir beobachten, welche Veränderungen die Chemotherapie auf Ebene der Zellen herbeigeführt hat, was für die weitere Vorgehensweise wichtige Hinweise liefern kann”, weiß Ernst Kubista.
Chemotherapie – oder nicht?
Im adjuvanten Setting muss genau differenziert werden. Nicht für jede Patientin erweist sich eine Chemotherapie als sinnvoll. „Bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren gilt die endokrine adjuvante Therapie als absoluter Standard”, erläutert Christian Marth. Ob zusätzlich eine Chemotherapie notwendig ist, wird mittels Risikostratifizierung entschieden. Bei geringem oder intermediärem Risiko eines Rezidivs ist die alleinige endokrine Therapie derzeit Standard. „Eine zusätzliche Chemotherapie brachte bei diesen Patientinnen weder einen Überlebensvorteil noch eine wesentliche Rezidivverringerung”, so Marth. Nur bei Hochrisikopatientinnen erweist sich die zusätzliche – allerdings sequentielle – Gabe einer Chemotherapie als kleiner Vorteil was das Langzeitüberleben betrifft. Trastuzumab (Herceptin) ist heute unumstritten Behandlung des HER-2-positiven Mamma-Ca.
Über die Dauer der adjuvanten Behandlung mit Aromatasehemmern ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: „Fünf Jahre sind sicherlich zu wenig”, prognostiziert Christian Marth. Eine Verlängerung auf sieben bis zehn Jahre wird derzeit in Studien untersucht. Die Ergebnisse werden allerdings noch einige Jahre auf sich warten lassen, was vor allem der exzellenten Langzeitprognose von Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren geschuldet ist: „Wir stehen derzeit bei einer Behandlungsdauer von sieben bis acht Jahren”, sagt Brustkrebsspezialist Ernst Kubista. „Das bezahlen wir die Patientinnen allerdings mit einer deutlich erhöhten Nebenwirkungsrate, vor allem was den Knochenstoffwechsel betrifft.”
Auf der Suche nach der Tumorstammzelle
Rezente Forschungsergebnisse aus Österreich könnten dazu beitragen, dieses Nebenwirkungsrisiko nicht nur signifikant zu verringern, sondern auch wesentliche positive Auswirkungen auf die Rezidivrate und das Langzeitüberleben nach sich ziehen. Die Kombination einer antihormonellen Therapie mit Zoledronsäure, einem Bisphosphonat, konnte in dieser Studie das relative Rezidivrisiko – im Vergleich zu jenen Patientinnen, die kein Bisphosphant erhalten hatten, um 36 Prozent senken. Schon seit mehreren Jahren wird Zoledronsäure erfolgreich bei Patientinnen mit Mamma-Ca unter adjuvanter antihormoneller Therapie eingesetzt, um das Osteoporoserisiko zu senken.
Die Studienergebnisse rücken aber auch ein anderes – derzeit intensiv beforschtes Thema – in den Mittelpunkt des Interesses – die Tumorstammzellen nämlich. Experimentelle Daten weisen auf das Vorhandensein von Tumorstammzellen beim Mamma-Ca hin. „Das Erkennen der Eigenschaften dieser Tumorstammzellen wird die Therapie des Mamma-Carcinoms in Zukunft maßgeblich beeinflussen”, zeigt sich Christian Marth überzeugt. „Für den Therapieerfolg wird die Zerstörung dieser Tumorstammzellen entscheidend sein”, so Marth. Die Daten der ABCSG-12-Studie (siehe Kasten) lassen sich dahingehend interpretieren, dass Bisphosphonate im Knochenmark befindliche Tumorstammzellen die treffen können – und nicht nur das: „Tumorstammzellen im Knochenmark können sehr lange ruhen”, erklärt Marth. Wenn sie dann wieder aktiv werden, führt das nicht nur zu Knochenmetastasen, sondern auch zu einer Metastasierung in anderen Organen. „Wenn diese Hypothese stimmt deutet einiges darauf hin, dass Bisphosphonate diese Tumorstammzellen hemmen und damit nicht nur im Knochenmark sondern auch andere Metastasen verhindern”, so Marth weiter.
Immer klarer wird zudem, wie wichtig eine genaue Bestimmung des Tumors für die erfolgreiche Behandlung eines Mamma-Carcinoms ist. Die molekulare Diagnostik mit der Definition bestimmter Marker bzw. Identifikationsorte im Gewebe hat etwa zur Bestimmung von hormorezeptorpositiven bzw. negativen Tumoren und damit zum individualisierten Einsatz der antihormonellen Therapie beigetragen. „Der nächste Schritt ist natürlich die Untersuchung der Gene”, erläutert Ernst Kubista: „Wir wollen mit Hilfe genetischer Untersuchungen herausfinden, wie aggressiv ein Tumor ist, um die Therapie entsprechend anpassen zu können.” Eine internationale Studie soll jetzt herausfinden, welche Gene mit welchem Risiko verknüpft sind. „Wir gehen diesen Weg konsequent, um das Risiko jeder Patientin in Zukunft immer genauer bestimmen zu können”, beschreibt Kubista und bremst verfrühte Erwartungen: „In den nächsten fünf Jahren erwarten wir hier sicherlich noch kein abschließendes Ergebnis.”
Neue Herausforderungen
Das Thema „individualisierte Therapie” spielt in der Brustkrebsbehandlung trotzdem bereits jetzt eine größer werdende Rolle. Schon das immer umfangreicher werdende Angebot an therapeutischen Möglichkeiten trägt zu diesem Trend bei. Nicht nur Chemo-, Strahlen- und antihormonelle Therapie, sondern auch der Einsatz von biologischen Medikamenten erweitern das Spektrum der Behandlung der Mamma-Carcinoms. Das breitere Angebot und die damit verbundenen Kombinationsmöglichkeiten stellen die Behandler allerdings auch vor immer neue Herausforderungen: „Die Kombination von verschiedenen guten Therapeutika bringt nicht immer ein besseres Ergebnis”, hält Christian Marth fest. „Jede neue Kombination muss als neue Therapie mit potenziellen Nebenwirkungen betrachtet werden.” So wird etwa die gleichzeitige Gabe von Chemo- und antihormoneller Therapie nicht empfohlen, diese Therapien sollen sequenziell verabreicht werden. „Vor allem die neuen biologischen Medikamente werden uns, was die Kombinationen betrifft, sicherlich noch vor schwierige Herausforderungen stellen”, ist Marth überzeugt.
„Insgesamt”, resümiert Ernst Kubista, „ist es uns in den letzten Jahren gelungen, das Mamma-Carcinom immer besser zu behandeln, die Lebensqualität der Patientinnen zu verbessern und die Lebenserwartung zu verlängern.” Nichtsdestoweniger bricht der Brustkrebsspezialist abschließend eine Lanze für die Früherkennung: „Würden wir einen Bruchteil des Geldes, das uns die Behandlung des Mamma-Carcinoms kostet, in die Früherkennung investieren, könnten wir die Heilungschancen um ein Vielfaches steigern.”
Zum Nachlesen:
DNA-Methylierung als Prädiktor für ein Rezidiv:
Fiegl H et al. Breast Cancer DNA methylation profiles in cancer cells and tumor stroma: association with HER-2/neu status in primary breast cancer. Cancer Res. 2006 Jan 1;66(1):29-33 (Fulltext free available)
Fiegl H et al. Circuating tumor-specific DNA: a marker for monitoring efficacy of adjuvant therapy in cancer patients. Cancer Res. 2005 Feb 15;65(4):1141-5
Adjuvante endocrine Therapie plus Zoledronsäure zur Rückfallsprophylaxe:
Gnant M et al. Adjuvant endocrine therapy plus zoledronic acid in premenopausal women with early stage breast cancer: 5-year follow-up of the ABSCG 12 bone-mineral density substudy. N Engl J Med. 2009 Feb 12;360(7):679-91