Zeckengefahr weiterhin unterschätzt

Auch Ziegenmilch kann FSME übertragen

Auch Ziegenmilch kann FSME übertragen

Die FSME-Endemiegebiete in Österreich breiten sich aus: Mittlerweile kommen Zecken bereits in Höhen über 1.300 Metern vor. Zunehmend wird auch eine Erweiterung der Endemiegebiete Richtung Norden beobachtet.


„In mathematischen Modellen wurde berechnet, dass in den letzten 30 Jahren die infektiösen Zecken und höchst gelegene Infektionsorte um fünf bis zehn Meter pro Jahr anstiegen sind”, erläuterte Prof. Dr. Erich Schmutzhard, Leiter der Neurologischen Intensivstation an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck im Rahmen eines Pressegesprächs zum Thema.

Eine Impfung reicht nicht
86 FSME-Fälle gab es im Vorjahr in Österreich. Ein Todesfall war zu verzeichnen. Gegenüber dem Jahr 2007 (46 Fälle) bedeutete dies eine deutliche Steigerung. Zwar sind 87 Prozent der ÖsterreicherInnen zumindest einmal gegen FSME geimpft – einen dauerhaften Schutz gegen eine Infektion durch Zeckenbiss stellt dies allerdings nicht dar. Laut einer Meinungsumfrage des Institutes Fessl/Gfk im Auftrag des Pharmaunternehmens Baxter hält sich in der Bevölkerung allerdings hartnäckig das Gerücht, eine einzige Impfung würde dauerhaft vor der Frühsommermeningoenzephalitis schützen. Nur 66 Prozent der Geimpften weisen eine korrekte Einhaltung des Impfschemas auf (siehe Kasten). 58 Prozent der befragten Personen gaben an, Zeckengebiete zu meiden und sich deshalb geschützt zu fühlen.

Impfschutz auf Reisen
Nichts desto weniger sollten auch Reisende innerhalb Europas, insbesondere nach Osteuropa und in den asiatischen Raum – insbesondere China und Japan – auf einen ausreichenden FSME-Impfschutz bedacht sein: „Das Risiko liegt ähnlich jenem einer Reise in ein Ruhrendemiegebiet”, betonte Prof. Dr. Michael Kunze, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der Medizinischen Universität Wien. „Und niemand würde meinen, eine Impfung gegen Ruhr sei sinnlos”, polterte der Sozialmediziner gewohnt kämpferisch. Nachholpotenzial in Bezug auf die FSME-Impfung ortet Kunze in Deutschland, Schweden und den östlichen Nachbarländern Österreichs.

Die Ziege Bianca
Die Ausbreitung der Zecken in höhere Regionen belegte Prof. Dr. Franz X. Heinz, Vorstand des klinischen Institutes für Virologie der Medizinischen Universität Wien an einem eindrucksvollen Beispiel: In Vorarlberg wurde durch nichtpasteurisierte Milch eine Übertragung des FSME-Virus beobachtet. Sechs ungeimpfte Personen wurden durch den Genuss von Käse – hergestellt aus der Milch einer einzigen infizierten Ziege – mit dem FSME-Virus angesteckt. „Vier dieser Personen entwickelten eine FSMA und mussten hospitalisiert werden”, berichtete Heinz. „Bemerkenswert ist dabei, dass sich diese Ziege auf einer Alm in einer Seehöhe von 1.564 Metern aufhielt und alles darauf hinweist, dass sie sich auch in dieser Höhe mit dem FSME-Virus infiziert hatte”, so der Virologe weiter. Durch den Genuss handelsüblicher Milchprodukte ist eine Ansteckung mit FSME nicht möglich – das Virus wird durch die gesetzlich vorgeschriebene Pasteurisierung abgetötet.

Neue Endemiegebiete
„Dieses Beispiel zeigt, wie sich neue Endemiegebiete, vor allem in den Tälern alpiner Regionen etablieren”, hielt Virologe Franz X. Heinz fest. So nimmt etwa Tirol erstmals seit Erfassung der FSME-Fälle in Österreich mit 20 in diesem Bundesland hospitalisierten Patienten Platz eins in der Erkrankungsstatistik ein, gefolgt von Kärnten und der Steiermark mit je 17 Erkrankungen. An dritter Stelle steht Oberösterreich mit 14 FSME-Fällen. Wie schon in den vergangenen Jahren sind Personen ab dem 50. Lebensjahr überproportional häufig betroffen, mehr als 65 Prozent aller FSME-Erkrankungen betreffen diese Altersgruppe. Aber bereits ab dem 40. Lebensjahr steigt die FSME-Gefahr deutlich an – im Vorjahr waren 68 FSME-Patienten älter als 40 Jahre – das sind fast 80 Prozent der berichteten Erkrankungen. Ein 78jähriger Patient aus der Steiermark verstarb an den Folgen einer schweren Meningoenzephalitis. Beobachtet wurde auch die Erkrankung einer ungeimpften Schwangeren, das Neugeborene trug allerdings keine Schäden davon.

Bis 31. Juli wird der FSME-Impfstoff vergünstigt abgegeben. Der Impfstoff für Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr kostet € 22,60. Für Personen ab dem 16. Lebensjahr ist der Impfstoff um € 26,60 käuflich zu erwerben.

Kasten FSME-Impfschema:
Zwei Impfungen im Abstand von zwei bis vier Wochen
3. Impfung nach neun bis 12 Monaten
1. Auffrischungsimpfung nach drei Jahren, danach
Auffrischungsimpfungen alle fünf Jahre bei Personen bis zum 60. Lebensjahr
ab dem 60. Lebensjahr Auffrischung alle drei Jahre
Kinder unter einem Jahr sollten nur bei zwingender Indikation geimpft werden, unterste Altersgrenze ist 6 Monate