Wenn die Lust zur Last gerät…

Dr. Elia Bragagna

Dr. Elia Bragagna

Glaubt man aktuellen internationalen Umfragen, so haben rund 22 Prozent der Frauen und acht Prozent der Männer keinen Spaß mehr am Sex. Die „European Sexual Awareness Week hat es sich zum Ziel gesetzt, Tabus zum Thema Sexualstörungen abzubauen.

„Über Sexualität zu sprechen ist nach wie vor ein Tabu”, sagt Univ.-Prof. Dr. Siegfried Meryn, Präsident der International Society for men`s health and gender (ISMH), bei einer Pressekonferenz anlässlich der European Sexual Awareness Week, die von 10. bis 14. Februar 2004 in 14 Staaten Europas und erstmals auch in Österreich begangen wurde. Heuer steht die Kampagne der Sexual Awareness Week unter dem Motto: „Nicht hängen lassen – sprechen” und will bewirken, dass mehr Menschen bei ÄrztInnen Rat und Hilfe suchen.
Denn sexuelle Funktionsstörungen beeinträchtigen nicht nur die seelische Befindlichkeit, vielfach können sie auch auf ernsthafte organische Erkrankungen hindeuten. „Bei rund 80 Prozent aller Männer über 60 Jahren deutet eine sexuelle Funktionsstörung auf eine organische Erkrankung hin”, sagt Meryn. Bei jüngeren Männern sind es häufig psychische Schwierigkeiten, wie etwa Stress, Versagensängste oder eine generelle Lustlosigkeit, die zu Problemen in der Sexualität führen. Trotzdem sprechen häufig nach wie vor weder PatientInnen noch ÄrztInnen dieses Thema an.

Frauen benachteiligt
Besonders Frauen hätten oft Schwierigkeiten, über Sexualität zu sprechen”, sagt auch Dr. Elia Bragagna, Sexualmedizinerin aus Wien. Durch Scheu, Scham oder Verdrängung werden sexuelle Störungen von Betroffenen beim Arzt oft nur äußerst selten erwähnt. „Das verhindert, dass Sexualstörungen fachlich abgeklärt und therapiert werden”, sagt Bragagna.. So würden Frauen, wenn sie über sexuelle Probleme klagen würden, häufig erst zum Gynäkologen überwiesen – und dann gleich weiter zum Psychiater – weil organisch nichts gefunden werde. „Das greift zu kurz”, sagt Bragagna, „vielmehr wäre es wichtig, sowohl den somatischen als auch den psychischen und psychosozialen Status abzuklären, um dann eine adäquate Therapie zu finden” Das ist nicht immer ganz einfach: Während Männern inzwischen eine ganze Reihe von Pharmaka zur Therapie der erektilen Dysfunktion zur Verfügung stehen, bestehen diese Möglichkeiten für Frauen nicht: „Es gibt Hinweise darauf, dass Phosphordiesterase-Hemmer auch bei Frauen wirksam sind, harte Studiendaten fehlen dafür allerdings,” sagt Bragagna.
Generell hofft Bragagna auf eine Erweiterung des Beratungsangebotes für Erwachsene mit sexuellen Problemen. Denn bereits jetzt ist ihre Ambulanz, derzeit die einzige ihrer Art in Österreich, überlastet.

Sexuelle Gesundheit als Grundrecht
Die Weltgesundheitsorganisation betrachtet sexuelle Gesundheit mittlerweile als fundamentales Menschenrecht. Um dieses Grundrecht umzusetzen, fordern die ISMH-ExpertInnen eine freiere Einstellung zur Sexualität, eine verbesserte Ausbildung der MedizinstudentInnen in diesem Bereich, adäquate ärztliche Fortbildung und die Einrichtung von Spezialambulanzen, die möglichst flächendeckend über ganz Österreich verteilt werden sollten.

Lachen erlaubt – auch beim Sex
Einen augenzwinkernden Zugang zum Thema bietet seit vielen Jahren der Kabarettist und Psychotherapeut Bernhard Ludwig. Seine Programme zur Sex Awareness hat er bereits vor mehr als 200.000 Personen – medizinischen Fachleuten ebenso Laien gespielt. Für ihn ist „Kabarett auch Therapie”, wie er sagt. Dies will er auch Ende März, gemeinsam mit dem Psychologen Prof. Uli Klement von der Universität Heidelberg unter Beweis stellen: Im Audimax der Wiener Universität sollen erstmals in großem Rahmen Beckenbodenübungen, deren Nutzen für die sexuelle Gesundheit unbestritten ist, präsentiert werden.