Hormonersatztherapie – sinnvoll oder gefährlich?

prof-dr-ernst-kubista3-1705051Internationale Studien zeigen, dass eine Langzeittherapie von klimakterischen Beschwerden mit Östrogen-Gestagen-Kombinationen das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Brustkrebs, Thrombosen und Embolien signifikant steigert. Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Senologie, sowie eine neue Form der Hormonsubstitution zeigen, dass die Hormonersatztherapie durchaus ihre Berechtigung hat.

Mehr als 70 Prozent aller Frauen zeigen nach Eintritt der Menopause Symptome eines hormonellen Defizits der Östrogene, Androgene und Gestagene. Die nachlassende Hormonproduktion führt zu klimakterischen Beschwerden wie etwa Hitzewallungen, depressiven Verstimmungen und nachlassender Libido. Mit einer Hormonersatztherapie kann die nachlassende Hormonproduktion substituiert werden.
„Die Ergebnisse zahlreicher Studien, wie etwa der WHI-Studie, der HERS-Studie und der Nurses` Health-Studie haben uns allerdings gezeigt, dass eine Langzeittherapie mit Östrogen-Gestagen-Kombinationen das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen, Brustkrebs, Thrombosen und Embolien signifikant steigert”, umreißt Univ.-Prof. Dr. Ernst Kubista von der klinischen Abteilung für Spezielle Gynäkologie an der Univ.-Klinik für Frauenheilkunde am AKH, Wien das Problem. „Die individuelle Behandlung klimakterischer Beschwerden und der Einsatz möglichst niedriger Dosierungen sind wichtige Voraussetzungen für die Vermeidung von Nebenwirkungen. Wir brauchen allerdings auch echte Alternativen zur konventionellen Hormonersatztherapie,” sagt Prof. Dr. Bo von Schoultz vom Karolinska-Institut in Stockholm.

Alternativen dringend gesucht
Entscheidend für das Risikoprofil der Substanzen ist die Wirkung, die eine Therapieform auf das Gebärmutterschleimhaut- und das Brustgewebe entfaltet. Während Östrogene und kombinierte Östrogen-Gestagen-Therapien zu einer Zunahme der Dichte des Brustdrüsengewebes führen und das Endometrium-Gewebe stimulieren, zeigt ein neues synthetisches Steroidhormon, die Substanz Tibolon, diese Wirkweise nicht.
Tibolon ist der erste Vertreter einer Substanzklasse in der Hormontherapie, der im Hinblick auf das Gewebe selektiv wirkt. „Tibolon bekämpft klimakterische Beschwerden und verhindert eine Verminderung der Knochendichte, ohne das Gewebe der Brust oder der Gebärmutterschleimhaut zu stimulieren”, sagt Dr. Lenus Kloosterboer von den Research and Development Laboratories Organon in den Niederlanden.

Risikofaktor dichteres Brustgewebe
„Für uns ist eine Zunahme der Dichte des Brustgewebes aus zwei Gründen ein Risikofaktor für Brustkrebs: Zum einen, weil sich in dichterem Gewebe ein Tumor schlechter feststellen lässt, zum anderen ist die Zunahme der Dichte auch für sich gesehen ein Indikator für ein Mammakarzinom,” sagt Prof. von Schoultz. „Eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie, die am Karolinska Institut durchgeführt wurde, zeigte, dass nur zwei Prozent der Verwenderinnen von Tibolon eine erhöhte Brustdichte aufwiesen, hingegen 46 Prozent der Frauen unter Östrogen-Gestagen-Therapie.” Rund 25 Prozent aller Frauen neigen dazu, unter Hormonersatztherapie dichteres Brustgewebe zu entwickeln. Für diese Frauen stellt Tibolon eine Behandlungsalternative dar.

Hormonersatztherapie nach Brustkrebsbehandlung?
„Eine Metaanalyse der bisher durchgeführten Studien mit Tibolon zur Behandlung klimakterischer Beschwerden hat keine Hinweise auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko ergeben”, sagt Prof. Kubista. Die Therapie mit Tibolon könnte daher eine Alternative für Frauen mit Wechselbeschwerden nach einer Brustkrebstherapie sein. Derzeit läuft eine weltweit durchgeführte Studie, an der insgesamt 2.600 Frauen teilnehmen. Dabei wird die Wirksamkeit von Tibolon zur Behandlung klimakterischer Symptome bei Frauen nach Brustkrebs untersucht. In Österreich nehmen insgesamt sechs Zentren in Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck an der Liberate-Studie teil. Ergebnisse dieser großangelegten Studie sind allerdings erst in einigen Jahren zu erwarten.

  1. Möglichst kurz, möglichst niedrig dosiert
    Die Hormonersatztherapie hat – auch in ihrer konventionellen Form – ihre Berechtigung. Da sind sich die Experten einig. Allerdings sollte immer so kurz wie möglich behandelt werden, in der niedrigst möglichen Dosierung. Die Österreichische Gesellschaft für Senologie hat kürzlich Empfehlungen herausgegeben, die die Sicherheit Hormonersatztherapie gewährleisten sollen:
    1. Nur zur Behandlung von Frauen mit starken und mittelstarken Wechselbeschwerden
    2. Genaue Indikation, überprüfbare Dosierung und Beachtung der Nebenwirkungen
    3. Nicht länger als drei Jahre
    4. Möglichst kurz, möglichst niedrig dosiert
    5. Keine Verbesserung des kardiovaskulären Risikos. Reduktion von Rauchen und Fettkonsum, eventuell Einsatz von Statinen
    6. Langzeithormontherapie nicht zur Behandlung der Osteoporose geeignet
    7. Genaue Patientinnenaufklärung
    8. Regelmäßige gynäkologische Kontrolle, einmal im Jahr Mammographie
    9. Keine Verwendung der HET als Anti-Aging Therapie oder hormonelle Kosmetik
    10. Nach drei Jahren HET Überprüfung, ob Weiterführung gerechtfertigt ist.