HIV: Entwarnung ist nicht angebracht

OA Dr. Brigitte Schmied

OA Dr. Brigitte Schmied

OA Dr. Armin Rieger

OA Dr. Armin Rieger

Jeden Tag stecken sich in Österreich ein bis zwei Menschen mit dem HI-Virus an. Die Krankheit ist nach wie vor unheilbar. Effektive Kombinationstherapien ermöglichen ein gutes Krankheitsmanagement. Probleme gibt es mit der Entwicklung von Resistenzen.

„Was mir heute auffällt ist, dass sich scheinbar kaum jemand mehr besonders vor AIDS fürchtet. Offenbar denken die meisten jetzt: „Das betrifft mich sowieso nicht,” sagt Daniela Schmied, die seit mehreren Jahren an AIDS erkrankt ist.
Rund 6.000 HIV-Infizierte leben derzeit in Österreich, und jedes Jahr stecken sich etwa 400 Menschen mit dem Virus an. Waren 1998 noch 27 Prozent der Neuerkrankungen auf heterosexuelle Kontakte zurückzuführen, so lag diese Zahl 2001 bereits bei 38 Prozent und machte somit den größten Anteil der Neuinfektionen aus. Im gleichen Zeitraum gingen die HIV-Infektionen aufgrund von intravenösem Drogenkonsum und homosexuellen Kontakten stetig zurück. „Der Grund für den starken Anstieg der Neuinfektionen bei unter Heterosexuellen”, warnt OA Dr. Brigitte Schmied, Präsidentin der österreichischen AIDS-Gesellschaft, anlässlich eines Hintergrundgesprächs zum Thema HIV „liegt am geringen Gebrauch des einzig wirksamen Schutzes vor einer Infektion: nur 19 Prozent der Paare in Österreich verwendet beim Geschlechtsverkehr ein Kondom.” Daniela Schmied hat sich 1984 bei ihrem Freund angesteckt – „ich nehme an, dass sich mein Freund über eine Blutkonserve infiziert hat.”
Insgesamt ist in Österreich die Zahl der Neuinfektionen nach einem Tiefstand im Jahr 1997 mit 297 Infizierten wieder gestiegen – 2000 lag sie bei 428, 2001 bei 398 Neuinfektionen.

Neues Verfahren – rasches Testergebnis
Mit dem Antigen-Antikörper-Kombinationstest – er wurde vom Pharmaunternehmen Abbott entwickelt – können HI-Viren jetzt kurz nach der Infektion direkt im Blut nachgewiesen werden. „Bisher wurden Betroffene, die einen Risikokontakt hatten, fast ausschließlich auf Antikörper gestestet”, erklärt OA Dr. Schmied. „Hier dauert es allerdings bis zu drei Monaten, bis diese Antikörper nachgewiesen werden können.” Der neue Antikörper-Antigen-Test kann die Viren im Blut direkt nachweisen, was bereits kurz nach einem Risikokontakt möglich ist. „Dies ist enorm wichtig: Zum einen, um weitere Ansteckungen zu verhindern, zum anderen, um zum richtigen Zeitpunkt mit der Therapie beginnen zu können”, so OA Dr. Schmied.

Potente Therapien – Problem Resistenzen
„Wir beginnen heute mit der sogenannten Kombinationstherapie, wenn die Anzahl der CD-4-Zellen im Blut bei 350 liegt”, erklärt OA Dr. Armin Rieger, Vorstandsmitglied der Österreichischen Aidsgesellschaft. Durch die antiretrovirale Kombinationstherapie kann im Optimalfall die Viruszahl im Blut unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien pro Mililiter gedrückt und die Virusvermehrung nahezu gestoppt werden.
Für Betroffene ist die Therapie fordernd: Bis zu 95 Prozent der Medikamente müssen zeitlich ganz genau eingenommen werden, damit sie richtig wirken können – die Medikamente müssen über viele Jahre hinweg eingenommen werden. „Therapiepausen darf man nicht machen – da sich sonst schnell Resistenzen entwickeln können”, erklärt OA Dr. Rieger. Das HI-Virus ist extrem wandelbar – setzt ein Patient mit seiner Therapie aus – und es sind noch genug Viruskopien im Blut vorhanden – kann sich das Virus wandeln. Beginnt der Patient dann erneut mit der Therapie, ist sie gegen das gewandelte HI-Virus nicht mehr wirksam.” Von den Resistenzen sind heute nicht nur bereits behandelte Patienten betroffen, sondern auch zunehmend Nichtbehandelte, die bereits mit einem resistenten Virus infiziert worden sind.” Bisher stabil gegen Resistenzen hat sich eine neue Wirksubstanz im Kampf gegen AIDS gezeigt: Lopinavir/Ritonavir, in Österreich unter dem Namen „Kaletra? im Handel, zeigte in Studiendaten von bis zu fünf Jahren keine Resistenzentwicklungen auf.
Daniela Schmied kämpft ebenfalls mit den Nebenwirkungen der Kombinationstherapie: „Irgendwie fühlt man sich ständig leicht krank”, erzählt sie – und ist trotzdem zufrieden: „Durch die Medikamente sind meine Werte recht schön – ich bin jedenfalls sehr froh, dass es sie gibt.”