Vagusnerv-Stimulation und Epilepsiechirurgie zeigen Erfolge bei therapieresistenten Patienten
Epilepsien betreffen zu 75 Prozent Kinder und sind eine extrem heterogene Krankheitsgruppe. MRT und Genforschung tragen heute viel zur Ursachenforschung bei. Moderne Antiepileptika ermöglichen es etwa 60 Prozent der Patienten, anfallsfrei zu leben.
Etwa 80.000 Menschen in Österreich leiden an einer Epilepsie. „Die Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen”, erläutert Prof. Dr. Bruno Mamoli, Leiter der 2. Neurologischen Abteilung am NKH Rosenhügel. 75 Prozent der Erkrankten sind Kinder. Bis zum Eintritt in die Schule besteht eine relativ hohe Erkrankungsbereitschaft. Ein weiterer Erkrankungsgipfel wird in der Pubertät erreicht. „Die Zeit zwischen 20 und 40 ist relativ ruhig. Einen Anstieg der Erkrankungen gibt es dann wieder bei den über 60jährigen”, sagt Prof. Dr. Martha Feucht, Epileptologin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH Wien.
MRT und Genforschung erleichtern Ursachenforschung
Die Ursachen für die heterogene Krankheitsgruppe der Epilepsien lagen lange Zeit im Dunkeln. „Vor der Magnetresonanztherapie und der Genforschung haben sich viele Epilepsieformen einer Diagnose entzogen”, sagt Feucht.
Heute kann immerhin rund 48 Prozent der Epilepsieerkrankungen eine Ursache zugeordnet werden. In der Neugeborenenperiode und der frühen Kindheit dominieren Hirnentwicklungsstörungen auf genetischer Basis oder aufgrund intrauteriner Schädigungen, metabolische und toxische Ursachen, hypoxische Hirnschäden und Infektionen. Idiopathische Epilepsien manifestieren vor allem in Kindheit und Adoleszenz, während im Alter von 21 bis 40 Jahren Schädel-Hirntraumen oder Infektionen eine Epilepsie begründen. Hirntumore, mesiale Sklerosen oder Substanzabusus spielen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer Epilepsie. Ab dem 60. Lebensjahr stellen Atherosklerosen und degenerative Prozesse des Gehirns die wichtigsten Ursachen dar. „Die Genforschung hat uns gezeigt, dass die Krankheit bei einem größeren Teil der Patienten als bisher angenommen, familiär gehäuft vorkommt und eine genetische Komponente aufweist”, weiß Prof. Dr. Gerhard Bauer, von der Universitätsklinik für Neurologie an der medizinischen Universität Innsbruck.
Gut behandelbare Erkrankung
Epilepsien sind heute zum größten Teil mit Antiepileptika gut behandelbar. 50 bis 60 Prozent der Betroffenen können langfristig anfallsfrei gemacht werden, 30 bis 40 Prozent erleiden trotz Therapie gelegentlich Anfälle. Begleitend zur Therapie wird Anfallskranken zu einem regelmäßigen Lebensrhythmus, Stress-, Alkohol- und Drogenvermeidung sowie ausreichend Schlaf geraten.
Zwischen 10 und 30 Prozent der Patienten erweisen sich gegen Antiepileptika resistent. „Bei diesen Patienten stellt sich die Epilepsiechirurgie, besonders bei einfach fokalen Anfällen, immer mehr als hervorragende Möglichkeit zur vollständigen Heilung der Erkrankung heraus”, erklärt Prof. Dr. Christoph Baumgartner von der Universitätsklinik für Neurologie am AKH Wien. In den letzten Jahren wurden in den USA, aber auch in vielen europäischen Staaten epilepsiechirurgische Zentren geschaffen. Auch am Wiener AKH werden mittlerweile epilepsiechirurgische Eingriffe mit großem Erfolg durchgeführt. Die Eingriffe haben dabei das Ziel, die epileptogene Zone zu entfernen und damit Anfallsfreiheit zu erzielen. Grenzen sind der Epilepsiechirurgie dort gesetzt, wo die Anfälle von mehreren Stellen im Gehirn ausgehen.
Für derartige Fälle erlaubt die Vagusnerv-Stimulation immer bessere Erfolge. Der Vagusnerv-Stimulator wird dabei, ähnlich wie ein Schrittmacher, unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt. Er stimuliert den Nervus vagus und unterdrückt dadurch Anfälle. „Es kommt dabei nur selten zu einer völligen Anfallsfreiheit, aber oft zu einer deutlichen Besserung der”, sagt Baumgartner.
Vorurteile belasten
Obwohl Epilepsien heute in den meisten Fällen mit gut behandelbar sind, haben die Erkrankten häufig Probleme – weniger mit ihrer Erkrankung, als mit ihrer Umwelt. So ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Anfallskranke mehr als trist, obwohl diese oft sehr verlässliche Mitarbeiter sind. Auch für Kinder ist die Situation in Österreich alles andere als rosig: Immer noch landen normal intelligente epilepsiekranke Kinder in der Sonderschule.