Der Traum von der Ausrottung von Infektionskrankheiten aufgrund der Möglichkeit der Antibiotikabehandlung ist ausgeträumt. Resistenzen gegen Antibiotika sind auf dem Vormarsch. Internationale Surveillance-Projekte erforschen die Resistenzsituation in verschiedenen europäischen Ländern.
Die Entdeckung des Penicillins und die Entwicklung wirksamer Antibiotika bedeuteten einen Quantensprung in der Therapie bakterieller Infektionen. Ausrotten konnten sie die Infektionskrankheiten allerdings nicht, im Gegenteil: nicht nur in Entwicklungsländern auch in der westlichen industrialisierten Welt, nehmen Infektionskrankheiten wieder zu, weil viele Erreger Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt haben. Die Weltgesundheitsorganisation wies in ihrem World Health Report auf die Gefahren hin, die von der zunehmenden Resistenzbildung ausgehen. In einigen Ländern haben die Resistenzraten bereits bedrohliche Ausmaße erreicht.
Antibiotika sorgsam einsetzen
Die Gründe für die Entwicklung von Resistenzen gegenüber Antibiotika sind vielfältig. Nicht zuletzt ein sorgloser Umgang mit diesen Medikamenten – etwa wenn der Patient das verschriebene Medikament zu früh absetzt, weil die subjektiven Beschwerden abgeklungen sind, führen zu Resistenzen von bestimmten Bakterienstämmen gegen das Medikament. Aber auch der falsche Einsatz der Medikamente kann Resistenzen begünstigen. So sagt der Chef des deutschen Antibiotikazentrums in Freiburg, Univ.-Prof. Dr. Franz Daschner: „Rund 50 Prozent der Antibiotika werden falsch eingesetzt. Sie werden falsch verschrieben, in falscher Dosis, zu kurz oder zu lang verabreicht, erklärt der Professor für Krankenhaushygiene und Umweltmedizin. „Das fördert die Antibiotikaresistenz.” In Deutschland sind beispielsweise bereits rund acht Prozent der Pneumokokkenstämme resistent gegen Penicillin. Weltweit droht eine Ausbreitung multiresistenter Tuberkulose-Erreger.
Internationale Surveillance-Projekte
Um die drohende Ausbreitung von Resistenzen weltweit in Schach zu halten, gemeinsame Forschungsanstrengungen zu unternehmen und diese bedrohliche Entwicklung letzten Endes aufzuhalten, wurde international eine Reihe von sogenannten Surveillance (Überwachungs-) Projekten ins Leben gerufen. Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Projekte im Überblick. Die genannten Websites sind frei zugänglich:
Surveillance-Projekte |
Website |
Land |
Kurzbeschreibung |
EARSS (European Antimicrobial Resistance Surveillance System |
Niederlande |
In diesem Projekt werden die Antibiotikaresistenzen der Gram-positiven Erreger Streptococcus pneumoniae, Staphylococcus aureus und Enterococcus Faecalis seit 1998 verfolgt Es sind 500 Laboratorien aus 24 europäischen Ländern beteiligt |
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ENARE (European Network for Antimicrobial Resistance and Epidemiology) |
Niederlande |
Am Projekt nehmen derzeit ca. 20 europäische Zentren in acht Ländern teil. Ziel ist die Überwachung des Auftretens multiresistenter Erreger in Europa |
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ESAR (European Surveillance of Antibiotic Resistance) |
Deutschland |
Im Projekt der European Society of Biomodulation and Chemotherapy werden unter anderem die Resistenzentwicklungen von beta-hämolysierenden Streptococcen, Stretococcus pneumoniae, Staphylococcus aureus und koagulasenegativen Staphylococcen in vier europäischen Ländern verfolgt. Es nehmen fünf Laboratorien an diesem Projekt teil. |
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GENARS (German Network for Antimicrobial Resistance Surveillance) |
Deutschland |
Dieses Netzwerk aus acht medizinisch-mikrobiologischen Laboratorien deutscher Universitätskliniken bietet auf seiner Website den Zugriff auf Resistenzdaten und MHK-Verteilungen. |
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PEG-Studie (Arbeitsgemeinschaften “Empfindlichkeitsprüfung und Resistenz” und “Blutkulturstudie” der Paul-Ehrlich-Gesellschaft) |
Deutschland |
Die Website bietet Zugriff auf die Ergebnisse der Arbeitsgemeinschaft „Blutkulturstudie“ (Daten von 22 teilnehmenden deutschen Laboratorien) sowie auf die Ergebnisse der „Arbeitsgemeinschaft Empfindlichkeitsprüfung und Resistenz (ca. 30 teilnehmende Laboratorien) |
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PncEURO (Pneumococcal disease in Europe) |
Finnland |
Das EU-unterstützte Projekt mit zehn teilnehmenden Zentren aus vier Ländern hat unter anderem das Ziel, invasive Pneumokokken-Erkrankungen sowie die Epidemiologie von Infektionen mit Antibiotika-resistenten Pneumonkokken und die Entwicklung von Impfstrategien zu erforschen. |
Gefährliche Resistenz
Ein anschauliches Beispiel für die Gefahr von Antibiotikaresistenzen liefert der authentische Fall einer Spanierin, die seit 20 Jahren in Deutschland lebt. Nach einem Spanienaufenthalt stellte sich die 45jährige Frau, die an chronisch obstruktiver Bronchitis leidet, mit Husten, starker Atemnot und eitrigem Auswurf bei ihrem Hausarzt vor. Für sieben Tage wurde ein Penicillin-Präparat verordnet, das die Beschwerden jedoch nicht bessern konnte. Daraufhin wurde eine Resistenztestung veranlasst. Es fand sich in hoher Keimzahl Streptococcus pneumoniae, einer der Haupterreger von bakteriellen Atemwegsinfektionen und Lungenentzündung. Das Antibiogramm, eine bakteriologische Untersuchung zur Bestimmung von Resistenzen von Bakterien gegenüber den einzelnen Antibiotika, ergab nur eine verminderte Empfindlichkeit des Erregers gegen Penicillin und Resistenz gegen die Antibiotika-Klasse der Makrolide. Nach Vorliegen dieser Ergebnisse konnte eine gezielte antibiotische Therapie über 14 Tage entsprechend der Testung eingeleitet werden, die letztlich zu einer Besserung der Beschwerden führte.
Das angeführte Beispiel zeigt, dass insbesondere in Spanien, sowie in weiteren süd- und osteuropäischen Ländern eine hohe Antibiotika-Resistenzrate bestimmter Bakterien gegen Penicilline und gegen die Gruppe der Makrolide vorliegt.
Die WHO rät deshalb zu einer globalen Strategie: Nur wenn die Problematik der Resistenz weltweit im Gesundheitswesen und in der Bevölkerung Beachtung findet und verantwortlich mit Antibiotika umgegangen wird, kann die Gefahr infektiöser Krankheiten gebannt werden.