Augenheilkunde: Fast jedem kann geholfen werden

Bereits unter Hammurabi wurden die ersten Staroperationen beschrieben. Und im Mittelalter waren es die Okulisten, die von Dorf zu Dorf zogen, um den meist unwissenden Einwohnern den Star zu stechen, mit durchaus überschaubarem Erfolg. Heute hat die Ophthalmologie für fast jedes Augenproblem eine Lösung anzubieten. Die Fortschritte auf operativem Gebiet sind groß, auch für wissenschaftliche Forschung bietet sich ein breites Betätigungsfeld.

Dr. Roderich Fellner

Dr. Roderich Fellner

„In der Augenheilkunde gibt es nur sehr wenige Patienten, denen man sagen muss, leider da kann ich überhaupt nichts machen”, erklärt der Präsident der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft (ÖOG) für, MR Dr. Roderich Fellner, Augenarzt aus Graz im Gespräch mit der Ärztewoche die eigene Begeisterung für sein Fachgebiet. „Wenn ich das beispielsweise mit der Onkologie oder der Geriatrie vergleiche, kann ich sagen, in der Augenheilkunde können wir doch den meisten Patienten helfen.”
Als eine ideale Mischung von konservativer und operativer Tätigkeit beschreibt Fellner die Tätigkeit aus Augenarzt. „Viele Kollegen spezialisieren sich beispielsweise auf bestimmte Operationen, wie etwa die Star- oder Glaukomoperation. Andere konzentrieren ihre Tätigkeit wiederum auf Schielkinder.” Dies zeigt, dass auch innerhalb eines vergleichsweise „kleinen” Faches, eine weitere Spezialisierung durchaus möglich, ja, wie im Fall der hochkomplizierten Staroperationen, sogar erwünscht ist.

Große Veränderungen
Erinnern Sie sich noch an die Starbrille, die früher manche Menschen tragen mussten? „Als ich in der Augenheilkunde anfing, bestand die Staroperation darin, die getrübte Linse zu entfernen”, plaudert Fellner aus dem Nähkästchen. Die Patienten mussten danach sogenannte Starbrillen tragen, die nicht nur das Gesichtsfeld deutlich einschränkten, sondern auch nicht sehr attraktiv aussahen. „Damals dachten wir, die Entfernung der Linse in toto wäre bereits das Non plus Ultra in der Starchirurgie.” Heute wird mittels eines nur noch drei Millimeter langen Schnittes die getrübte Linse entfernt und eine Kunstlinse eingesetzt, die den PatientInnen fast immer ein normales Sehen ermöglicht. „Wir haben da einen Stand erreicht, mit dem wir sehr zufrieden sein können”, sagt Fellner. „Aber es gibt sicher noch weitere Steigerungen.”

Forschungsintensives Fach
Auch die Entwicklung des Operationsmikroskops vor etwa 30 Jahren und die Miniaturisierung der Instrumente gehören für Fellner zu den wesentlichen Fortschritten für die Augenheilkunde in den vergangenen Jahrzehnten. Neben der täglichen praktischen Auseinandersetzung im Fach gehört die wissenschaftliche Arbeit in der Ophthalmologie für Fellner sicherlich zu den interessantesten Herausforderungen der kommenden Jahre, der auf eines der ungelösten Probleme in der Augenheilkunde hinweist: „Für die feuchte Makuladegeneration haben wir zwar schon vielversprechende Therapieansätze. Von einer Heilung können wir hier aber noch lange nicht sprechen.” Völlig ungelöst erscheint derzeit noch das Problem der trockenen Makuladegeneration, bei der es zu einem langsamen, aber unaufhaltsam fortschreitenden Visusverlust kommt.

Zähigkeit und Ausdauer
Neben der Liebe zum Fach und zur Wissenschaft sieht Fellner viel Geduld und Ausdauer als wesentlichste Voraussetzungen für angehende AugenheilkundlerInnen: „Denn die Ausbildungssituation ist derzeit leider gar nicht gut.” Generell gäbe es viel zu wenig Ausbildungsstellen. Aber auch als fertiger Facharzt gilt ein berufliches Auskommen noch lange nicht als gesichert. Da die Gebietskrankenkassen die Planstellen für FachärztInnen festlegen, kann es mitunter zu langen Wartezeiten kommen, bis ein Facharzt für Augenheilkunde eine Kassenstelle erhält.
Fellner kann sich, um die Situation zu verbessern, für die Zukunft durchaus stärkere Beschränkungen vorstellen: „In den USA wird vor Ausbildungsbeginn die Anzahl der Fachärzte festgelegt, die benötigt werden und etwa genauso viele werden dann auch tatsächlich ausgebildet.” Eine ideale Lösung, so Fellner, da es auf diese Weise nicht zu Überkapazitäten käme. Auch eine Zugangsbeschränkung zum Medizinstudium kann sich Fellner durchaus vorstellen: „Wir haben in Österreich als letztes Land in Europa keine Zulassungsbeschränkung. Wenn bei uns jemand bei der Krankenschwesternausbildung durchfällt, kann er immer noch Medizin studieren.”

Ausland keine Lösung
Betrachtet Fellner die beruflichen Perspektiven für angehende FachärztInnen für Augenheilkunde in Österreich schon als ungünstig, so scheint es im benachbarten Ausland nicht viel besser um Beschäftigung, Kassenstellen und Bezahlung bestellt zu sein: „In den skandinavischen Ländern fehlen derzeit tausende von Fachärzten, weil die Bezahlung unterdurchschnittlich ist.” In Großbritannien wird seit vielen Jahren voll auf die Versorgung im Krankenhaus gesetzt, was es den britischen AugenärztInnen nicht nur erschwert, sich niederzulassen, sondern auch, ihre Ordinationsausstattung auf dem letzten Stand der Technik zu halten. „Auch in Deutschland”, so Fellner weiter „sind derzeit rund 5.000 Facharztstellen nicht zu besetzen, weil die Honorierung nicht stimmt.” Rund 1.000 Euro im Monat erhalte ein junger Facharzt in Ausbildung pro Monat. „In Österreich ist die Bezahlung übrigens nicht viel besser”, warnt Fellner die jungen KollegInnen. Abraten will der Präsident der ÖOG MedizinstudentInnen vom Fach Augenheilkunde allerdings keineswegs: „Aber man soll den jungen KollegInnen vorher genau sagen, was sie erwartet.”

Ein dorniger Weg
Insgesamt dauert die Ausbildung zum Facharzt für Augenheilkunde sechs Jahre. „Davon sind fünf Jahre im Fach zu absolvieren, ein halbes Jahr innere Medizin und ein halbes Jahr Chirurgie”, zählt Fellner auf. Den Abschluss bildet, wie in allen anderen Sonderfächern auch, die Facharztprüfung. Zusätzliche Ausbildungen hält Fellner nur eingeschränkt für nötig: „An sich ist das Fach Augenheilkunde so sehr spezialisiert, dass eine zusätzliche Ausbildung nicht viel bringt. Interessant kann eine intensivere Beschäftigung mit Kontaktlinsen sein.” Hier sei der Markt in Österreich noch nicht gesättigt.
Trotz aller genannten Schwierigkeiten bleibt die Augenheilkunde für Fellner ein „hochinteressantes, spannendes Fach, es ist eine Freude darin zu arbeiten. Aber bis man soweit kommt, ist es eben ein dorniger Weg.”

MR Dr. Roderich Fellner ist Präsident der Österreichischen Ophthalmologischen Gesellschaft und niedergelassener Augenarzt in Graz.