Arbeitsmedizin: Nicht reparieren, sondern die Ursachen bekämpfen!

Bereits im 17. Jahrhundert wurde mit Bernardo Ramazinis* Standardwerk zu den Ursachen für Berufskrankheiten der Grundstein zum Sonderfach Arbeitsmedizin gelegt. Aber erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde in Österreich erstmals eine 12wöchige Ausbildung zum Arbeits- und Betriebsmediziner ins Leben gerufen. Mit der neuen Ausbildungsordnung soll nunmehr auch eine sechsjährige Facharztausbildung geschaffen werden.


Interesse an arbeitsbedingten Erkrankungen, hohe Kommunikationsfähigkeit und derzeit noch viel Geduld brauchen künftige ArbeitsmedizinerInnen in Österreich. Denn es sieht mit der Anzahl der Ausbildungsstellen zum Facharzt für Arbeits- und Betriebsmedizin noch ziemlich schlecht aus. „Insgesamt gibt es derzeit nur 22 Ausbildungsstellen in ganz Österreich”, sagt der Arbeitsmediziner Dr. Erich Pospischil im Gespräch mit der Ärztewoche. „Erst die neue Ausbildungsordnung wird hier Abhilfe schaffen können.” Mit dieser soll dann erstmals die Möglichkeit bestehen, in einer sechsjährigen Ausbildung den Titel Facharzt für Arbeits- und Betriebsmedizin erwerben zu können.
Aber auch ohne Facharzttitel besteht bereits jetzt die Möglichkeit, sich die Berechtigung zur Berufsausübung als ArbeitsmedizinerIn zu erwerben. Wer das ius practicandi hat, kann einen zwölfwöchigen Kurs an einer der beiden österreichischen Akademien für Arbeitsmedizin in Klosterneuburg bzw. Linz zu absolvieren. „Nach Abschluss dieser Ausbildung darf man als ArbeitsmedizinerIn praktizieren”, erläutert Pospischil.

Ausbildung im Fluss
Seit 1996 und noch bis Ende 2006 besteht als Übergangsregelung die Möglichkeit, nach mindestens acht Jahren nachgewiesener Tätigkeit als Arbeitsmediziner den Facharzttitel von der Ärztekammer zuerkannt zu bekommen, vorausgesetzt, es wurde die Facharztprüfung positiv bestanden.. Derzeit haben rund 75 Arbeits- und Betriebsmediziner in Österreich ihren Facharzttitel auf diese Weise erworben. Wer jetzt mit dem Studium fertig ist und in dieses Fach gehen möchte, dem rät Arbeitsmediziner Pospischil auf alle Fälle den Zwölfwochenkurs an, denn „der wird zukünftig auch Teil der Facharztausbildung sein, ist also jedenfalls zu absolvieren.” Zudem berechtigt dieser Kurs zur sofortigen Aufnahme der betriebsärztlichen Tätigkeit.

Gesundheit ist kein Luxus
Arbeitsbedingte Erkrankungen stehen im Mittelpunkt der arbeitsmedizinischen Tätigkeit. Im Vergleich zu anderen medizinischen Disziplinen hat der Arbeits- und Betriebsmediziner allerdings vor allem beratende und präventive Aufgaben. „Im Mittelpunkt unserer Bemühungen steht die Entwicklung von Gesundheit im Betrieb”, sagt Pospischil. Dies umfasst die Einzelberatung von ArbeitnehmerInnen. Dazu gehört aber auch die Umsetzung von gesundheitsfördernden Maßnahmen für ganze Unternehmen. „Auch die enge Zusammenarbeit mit dem Management wird immer wichtiger”, weiß Pospischil. Denn „es ist ja ganz wesentlich für eine moderne Betriebsführung, dass gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch leistungsbereiter sind.” Schließlich seien nur gesunde MitarbeiterInnen auch imstande, die ihnen gestellten Aufgaben adäquat zu erfüllen.

Kommunikativ, flexibel und belastbar
„Kommunikationsfähigkeit und EDV-Kenntnisse”, fasst Pospischil die beiden wichtigsten „Spezialkenntnisse”, die ein Arbeits- und Betriebsmediziner mitbringen sollte, zusammen. „Da sitzt man ja nicht irgendwo und wartet, dass die Leute kommen, sondern der Arbeitsmediziner muss auf die Menschen zugehen, ob das jetzt die ArbeitnehmerInnen sind oder das Firmenmanagement.” Und EDV-Kenntnisse gehören heute zu den Grundvoraussetzungen für Arbeits- und BetriebsmedizinerInnen. Aber auch ein gewisses Verständnis für technische Zusammenhänge, Kenntnisse in Ergonomie, Arbeitspsychologie, Projektmanagement und nicht zuletzt ein hohes Maß an Flexibilität sind Grundvoraussetzungen für die erfolgreiche Arbeit als ArbeitsmedizinerInnen-. „Eine gewisse Mobilität ist unbedingt nötig, weil die Firmenstruktur in Österreich wenige Großbetriebe aufweist, die einen Arbeitsmediziner in Vollzeit beschäftigen können”, erklärt Pospischil. Aufgrund der kleinteiligen Struktur ist es vielmehr so, dass ein Arbeits- und Betriebsmediziner meist mehrere Betriebe versorgt.
Auch eine gewisse Belastbarkeit hält Pospischil für absolut notwendig, weil man als Arbeitsmediziner nicht selten im Spannungsfeld zwischen Mitarbeitern und Management steht: „Hier besteht ein großes Konfliktpotential. Derartigen Konfliktsituationen muss man begegnen und sie auch entsprechend moderieren können.” Übrigens: Auch für den Arbeitsmediziner gilt absolute ärztliche Schweigepflicht. Der Firmenchef darf nicht danach fragen, wer den Arbeitsmediziner aufsucht und aus welchem Grund.

Gute Chancen
Die beruflichen Chancen für angehende ArbeitsmedizinerInnen beurteilt der erfahrene Arbeitsmediziner Pospischil derzeit wörtlich als „gar nicht schlecht.” Zum einen käme es in den kommenden Jahren in vielen Betrieben zu einem Generationswechsel, weil KollegInnen in Pension gingen. „Zum anderen bestehen neben der betriebsärztlichen Tätigkeit auch noch andere Möglichkeiten, diesem Beruf nach zu gehen, wie etwa bei der Unfallversicherung und den Arbeitsinspektoraten.”
Auch in ländlichen Gebieten besteht derzeit noch Nachholbedarf für arbeitsmedizinische Versorgung.

Es bleibt immer interessant
Routine gibt es laut Pospischil in der Arbeits- und Betriebsmedizin nur wenig. „Die Arbeitsmedizin bietet eben von der Konzeption von Gesundheitsförderungsprogrammen über die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen bis hin zur Beratung einzelner Mitarbeiter praktisch täglich neue Herausforderungen.” Mit Kollegen anderer Fachdisziplinen tauschen möchte Pospischil auch nach rund 10-jähriger Tätigkeit als Arbeits- und Betriebsmediziner nicht: „Für mich persönlich ist es immer noch reizvoll, täglich vor neue Herausforderungen gestellt zu sein, neue Inhalte zu definieren und viele verschiedene Wissenskomponenten in meine Arbeit einbringen zu können.”
Sabine Fisch

* 1631 – 1724

Dr. Erich Pospischil ist Facharzt für Innere Medizin undfür Arbeits- und Betriebsmedizin sowie ärztlicher Leiter des Arbeits- und Sozialmedizinischen Zentrums Mödling GmbH. Er ist Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin.