Aktuell wütet die Pest auf Madagaskar – 18 Todesfälle wurden bereits vermeldet.
Reisende, die in Pestendemiegebiete, wie die Rocky Mountains bzw. die südwestlichen Bundesstaaten, nach Afrika oder (Süd)ostasien reisen, müssen trotzdem keine Ansteckungsgefahr befürchten – außer sie wollen unbedingt auf die Jagd nach Nagetieren gehen.
Die erste Pestpandemie begann unter Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert. (ob die im antiken Griechenland berichteten „Pestepidemien” wirklich Pest waren, wird in den letzten Jahren angezweifelt) Im 14. Jahrhundert entvölkerte die Pest halb Europa. Auch im 18. Jahrhundert kam es erneut zu einer Epidemie in Europa. Der letzte große Ausbruch wurde Ende des 19. Jahrhunderts aus China und Indien gemeldet. Aber auch heute ist die Pest noch nicht ausgerottet. Aktuell werden etwa 18 Todesfälle aus Madagaskar berichtet. Endemisch ist die Erkrankung auch in den USA, wo vor allem Präriehunde vom Rattenfloh befallen sind, in Zentral-, Ost- und Südafrika, sowie in Zentral- und Südostasien.
Keine Ausbreitung
Eine massenhafte Ausbreitung der Pest ist heute allerdings nicht mehr zu befürchten. Die Reservoirs sind begrenzt, eine Heilbehandlung ist, wenn sie früh genug erfolgt, möglich. „Wenn allerdings der Zugang zur ärztlichen Behandlung schwierig ist, wie dies etwa beim aktuellen Ausbruch in Madagaskar der Fall ist, kommt es auch heute noch zu Todesfällen”, berichtet der Infektiologe und Tropenmediziner Dr. Hermann Laferl, leitender Oberarzt an der IV. Medizinischen Abteilung mit Infektions- und Tropenmedizin am Kaiser Franz Josef Spital in Wien im Interview mit der Ärztewoche.
Ratte – Floh – Mensch
Die Pest ist eine Zoonose. Die Übertragung des Erregers Yersinia pestis erfolgt durch den Rattenfloh. Kommt es zu einem Massensterben der Nagetiere, suchen sich die Flöhe einen anderen Wirt, u.a. eben auch den Menschen. Der aktuell aufgetretene Ausbruch in Madagaskar etwa wurde durch eine Krise in der Müllentsorgung, gemeinsam mit dem Einsetzen der Regenzeit, getriggert: „Wenn die Regenzeit einsetzt, strömen die Ratten aus der Kanalisation in die Hütten der Menschen”, erläuterte Laferl. Die „Müllkrise”, die derzeit in diesem Land herrscht – es fehlt das Geld zur Müllentfernung – verstärkt die Problematik.
Mehrere Formen…
… der Pest werden unterschieden. „Die Beulenpest heißt so, weil zuerst der Lymphknoten in der Nähe der Flohbissstelle anschwillt, im Krankheitsverlauf werden auch andere Lymphknoten befallen und bilden Beulen, auch Bubonen genannt”, so Laferl weiter: „Wird der Erreger in die Blutbahn abgegeben, kommt es zu einer Pestsepsis, woraus sich eine (sekundäre) Lungenpest entwickeln kann.” Die Lungenpest ist hochinfektiös, die Erreger werden durch Tröpfeninfektion verbreitet und führen zur primären Lungenpest mit sehr hoher Letalität. Seltener (ca. 10%) tritt die primär septikämische Verlaufsform, also ohne Lymphknotenschwellung, auf. Sehr selten wird die abortive Pest beobachtet, bei der meist nur ein Lymphknoten leicht anschwillt, der Patient kaum Krankheitszeichen zeigt, und die Erkrankung folgenlos – aber mit lebenslanger Pestimmunität – ausheilt.
Zehn Prozent Todesfälle
Die Pest ist heute mit Antibiotika behandelbar. Dennoch sterben von den jährlich etwa 4.000 Erkrankten rund 10 Prozent, also etwa 400 Menschen in den Pestendemiegebieten (Zahlen von der WHO).
Wird nicht früh genug behandelt, beträgt die Letalität der Beulenpest 60 Prozent, die der Pestsepsis und der Lungenpest an die 100 Prozent. „Zur Behandlung in den Endemiegebieten kommt Streptomycin zum Einsatz”, erklärte Laferl. Wirksam sind auch Gentamicin, Doxycyclin und Chloramphenicol.” In vitro-Versuche haben auch gute Ergebnisse für Chinolone gezeigt.
Ausrottung unmöglich
„Solange es Nagetiere, wie Ratten, gibt, wird es auch die Pest geben”, hielt Laferl im Gespräch mit der Ärztewoche fest. „Im Gegensatz zu den Pockenviren, deren einziger Wirt der Mensch ist, lässt sich die Nagetierpopulation weltweit wohl kaum ausrotten. Zur Prophylaxe existiert ein – bisher nur in den USA zugelassener – Impfstoff, der allerdings erhebliche Nebenwirkungen aufweist. Prophylaktisch mit Antibiotika vorzusorgen, würde Laferl auch nur jenen Menschen raten, die beruflich mit Pestkranken zu tun haben, wie etwa MedizinerInnen, die im Rahmen von Medicines sans Frontierès in Pestgebieten tätig werden. „Reisende brauchen sich weder impfen zu lassen noch eine Prophylaxe einzunehmen – die Gefahr, sich mit Pest anzustecken, ist wesentlich geringer, als etwa eine Infektion mit Dengue, Malaria, Typhus abdominalis oder selbst Schlafkrankheit oder Tollwut”, hielt der Infektiologe abschließend fest.
Pest in Österreich
Die eingangs erwähnte letzte Pestepidemie in Indien forderte – auf Umwegen – übrigens auch die letzten drei Pesttoten Österreichs. Der Internist Hermann Franz Müller war einer der Ärzte, die als Forschungsteam nach Indien entsandt wurden, um den Pestausbruch zu studieren. Zurückgekehrt, infizierte er sich im eigens eingerichteten Pestzimmer im alten AKH an der Erkrankung und verstarb, ebenso wie der Institutsdiener Franz Barisch, der für die Ansteckung verantwortlich war und die Krankenschwester Albina Pecha (Auf Spurensuche im alten medizinischen Wien. Wolfgang Regal/Michael Nanut Ärztewoche, Jg. 36, 2002). Gepflegt wurden der Arzt und die Krankenschwester übrigens im Kaiser Franz Josef Spital.